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Zur Situation älterer Bürger in Neuenhagen

Mit diesem Beitrag wollen wir eine öffentliche Diskussion zum Bericht und vor allem zum Problem der Schaffung von altersgerechtem Wohnraum eröffnen - von Dr. Bernd Raum

Deutschlandweit ist seit längerem eine zunehmende Alterung der Bevölkerung eingetreten. Diese demografische Situation ist – grob gesagt – durch einen immer höheren Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung gekennzeichnet, verursacht durch eine steigende Lebenserwartung und durch einen Geburtenrückgang, der nicht einmal die einfache Reproduktion der Bevölkerung sichert. Besonders zugespitzt sind die Verhältnisse in den östlichen Bundesländern, aus denen mangels ausreichender Einkommensmöglichkeiten vor allem junge Menschen scharenweise in westliche Bundesländer abwandern. Verbunden mit der Überalterung der Bevölkerung sind an diese Situation angepasste Bedürfnisse an die gesamte Lebensweise der älteren Bürger, u. a. an ihre Wohnsituation, die gesundheitliche Betreuung oder die kulturellen Angebote.

Am 19. Juni 2008 legte der Fachbereich „Bürgerdienste und soziale Einrichtungen“ der Gemeindeverwaltung Neuenhagens der Gemeindevertretung einen „Bericht zur Wohnsituation von älteren Bürgerinnen und Bürgern in Neuenhagen bei Berlin“ vom März 2008 vor. Damit wurde auf einen entsprechenden Beschluss der Gemeindevertretung aus dem Jahr 2007 reagiert. Als „ältere Menschen“ werden im Bericht Personen ab 60 Jahre betrachtet.

Zur Bevölkerungsentwicklung stellt der Bericht zunächst fest, dass Neuenhagen – anders als in anderen Regionen Brandenburgs – jährlich einen Anstieg der Einwohnerzahlen zu verzeichnen hat. Hatte die Gemeinde 1992 noch 11 955 Einwohner, waren es im Jahr 2007 bereits 17 114. In diesen 15 Jahren stieg die Bevölkerungszahl also um 43 %. Offensichtlich – der Bericht sagt es nur indirekt – ist dies das Ergebnis des Zuzugs junger Familien mit Kindern vor allem aus Berlin. Dennoch steigt auch in Neuenhagen der Anteil der über 60-Jährigen an der Gesamtbevölkerung. Er veränderte sich von 10,1 % 1992 auf 25,4 % 2007. Absolut gesehen lebten Ende 2007 4 342 Personen mit einem Lebensalter von 60 und mehr Jahren. Die gestiegene Lebenserwartung drückt sich ebenfalls in der zunehmenden Anzahl von Personen mit einem Lebensalter von 80 und mehr Jahren aus: Waren das 1992 noch 84 Bürgerinnen und Bürger (0,7 % der Bevölkerung), so wurden 2007 bereits 716 Personen (4,2 %) dieser Altersgruppe gezählt. Es gibt also trotz einer vergleichsweise günstigeren demografischen Entwicklung auch in Neuenhagen allen Grund dafür, dass sich die Verantwortlichen der Situation der älteren Bürgerinnen und Bürger nachhaltig zuwenden.

Dieser Notwendigkeit kommt der Bericht jedoch bereits bei der knappen Darstellung der Wohnsituation der älteren Bürgerinnen und Bürger nicht völlig nach und wird damit auch seinem im Titel ausgedrückten eigenen Anspruch nicht gerecht. Denn hier wird nicht die Wohnsituation der als „ältere Bürger“ Definierten betrachtet, sondern lediglich die der über 75-Jährigen. Dazu gehören jedoch immerhin 1 165 Personen, von denen 221 allein sowie 164 in Ehegemeinschaft lebende Seniorinnen und Senioren sind. Als Grund für die Einschränkung wird ein Untersuchungsaufwand angegeben, der für alle älteren Bürger nicht vertretbar wäre. Keine Aussage gibt es darüber, ob die bisherige Untersuchung auf alle älteren Bürgerinnen und Bürger ausgeweitet werden soll oder nicht. Eine solche erweiterte Untersuchung wäre jedoch als Voraussetzung für richtige Schlussfolgerungen der Gemeindeverwaltung anzusehen.

Andererseits geht der Bericht auch über die Wohnsituation im engeren Sinne hinaus und berücksichtigt die Lebensbedingungen der Bürgerinnen und Bürger in der Gemeinde, deren Darstellung jedoch mitunter recht mager ausgefallen ist, wie der Abschnitt „Verkehr und Straßen“ mit ganzen drei Zeilen anschaulich zeigt.

Aufgrund der im Abschnitt zur Wohnsituation vorgenommenen Einschränkung auf die über 75-Jährigen kann in den folgenden Abschnitten des Berichts (Einrichtungen für SeniorInnen in der Pflege und im Gesundheitsbereich, Soziale und kulturelle Angebote für SeniorInnen, Bildungsangebote für SeniorInnen, Weitere Angebote und Einrichtungen ...) nicht immer eindeutig entnommen werden, von welcher Altersgruppe die Rede ist, so bei der Aussage, dass Neuenhagen mit Plätzen in Pflegeheimen überdurchschnittlich ausgestattet sei.

Im Abschnitt „8. Altersgerechter Wohnraum in der Gemeinde“ schließt der Bericht an den Abschnitt „2. Wohnsituation“ wieder an. Es wird festgestellt, dass es auch in Neuenhagen gilt, „neue Wohnformen zu entwickeln. In unserer Gemeinde fehlen Wohnformen, die zwischen dem Leben in der eigenen Wohnung und dem Leben im Altenpflegeheim liegen.“ Dabei wird zwischen altersgerechtem Wohnen und betreutem Wohnen unterschieden.

Der Bericht stellt fest: Aus Gesprächen mit älteren Menschen unserer Gemeinde ist bekannt, dass ein Bedarf an altersgerechtem Wohnraum besteht. Oftmals ist die Konstellation so, dass ältere Menschen allein oder mit dem Partner in einem eigenen Haus mit Grundstück leben und sie die Belastungen, die damit verbunden sind, nicht mehr tragen wollen oder können. Kinder, die das Haus übernehmen, sind nicht vorhanden oder leben häufig nicht mehr in der Gemeinde und kommen auch nicht zurück. Diese Menschen wollen nicht in ein Altersheim, sie möchten in einer Wohnform leben, die sie nicht mit Arbeit belastet und die die Annehmlichkeiten bietet, die man im Alter braucht. Weiterhin gibt es ältere Menschen, die in Wohnungen leben und die auf Grund von Alterserscheinungen in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, aber (noch) keine Pflege benötigen. Sie würden gern in eine altersgerechte Wohnung ziehen, in der sie dann unbeschwerter leben könnten.“

Die Gemeindeverwaltung will die Schaffung altersgerechter Wohnungen durch Investorensuche, Ausweisung kommunaler Grundstücke und Bauleitplanung unterstützen. Selbst könne sie nicht als Investor und Vermieter von altersgerechten Wohnungen tätig werden. Die KENeu mbH (Kommunale Entwicklungsgesellschaft) hat dem Bericht eine eigene Anlage beigefügt, in der fünf Gebäude der KENeu auf ihre Eignung für die Einrichtung altersgerechter Wohnungen untersucht werden.

Schließlich weist der Bericht auf die aktive Rolle des Seniorenbeirates auch bei den Bemühungen um die Schaffung altersgerechten Wohnraums hin, der die Bildung einer – inzwischen aktiven – Arbeitsgruppe zur Bedarfsermittlung angeregt und mit Verweis auf Hönow Gleichartiges auch für unsere Gemeinde gefordert hat.

Die Linke unterstützt das Anliegen des altersgerechten und betreuten Wohnens nachdrücklich. So heißt es im Wahlprogramm der LINKEN zur Kommunalwahl 2008:

„Die Kommunale Entwicklungsgesellschaft (KENeu) sollte in Zusammenarbeit mit den Seniorenverbänden und sozialen Organisationen alternative Möglichkeiten des altersgerechten Wohnens langfristig planen. Eine Verbesserung und Ausweitung der Angebote an betreutem Wohnen stellt hier eine wesentliche Grundlage dar. Auch kommunale Wohnungen sind dafür mit vorzusehen. Deren Veräußerung lehnen wir als unnötige Gefährdung der Daseinsfürsorge entschieden ab.“

Mit diesem Beitrag wollen wir eine öffentliche Diskussion zum Bericht und vor allem zum Problem der Schaffung von altersgerechtem Wohnraum eröffnen. Wir bitten alle schon bisher Beteiligten, alle weiteren Interessierten, die Gemeindevertreter und die Kandidaten für die neue Gemeindevertretung sowie Bürger, Betriebe und Institutionen, die Unterstützung geben können, um ihre Diskussionsbeiträge. Viele Fragen sind zu klären. Dazu gehören u.a.:

  • Wo kann der Bericht von allen Bürgern zur Kenntnis genommen werden? (In der Internetpräsentation der Gemeinde war er bisher nicht zu finden.)
  • Wie werden die unter 75-Jährigen in die Überlegungen einbezogen?
  • Ist die Situation im Gesundheitsbereich der Gemeinde wirklich so gut, wie im Bericht angenommen?
  • Wie kann die wohnungsnahe Versorgung älterer Bürger mit Waren des täglichen Bedarfs wirksam verbessert werden?
  • Welchen Ansprechpartner haben ältere Bürger, die im eigenen Grundstück weiter wohnen möchten (und damit den Bedarf an altersgerechten Wohnungen entlasten), aber nicht mehr alle erforderlichen Arbeiten selbst erledigen können?
  • Kann die Gemeinde bei der Schaffung von altersgerechtem Wohnraum tatsächlich nicht als Investor und Vermieter auftreten oder will sie das nur nicht?
  • Welche Entscheidungen hinsichtlich der Möglichkeiten der KENeu werden schnell getroffen und realisiert?
  • Verlagert die Gemeindeverwaltung mit der Gründung einer Arbeitsgruppe ihre Verantwortung auf den Seniorenbeirat oder ist sie sich dieser aktiv bewusst?
  • Wie wird bei den angestrebten Lösungen des Problems das Leitbild der Neuenhagener Lokalen Agenda 21 berücksichtigt?

Dr. Bernd Raum

 


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Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf