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Sven Kindervater

Zu den Fakten

Am 14.11. berichtete die Märkische-Onlinezeitung über die Diskussion um den Schwimmunterricht in Neuenhagen, welcher dieser Tage im Freibad stattfindet. Leider wurde die Debatte nur sehr unvollständig wiedergegeben. Ein Nachtrag.

Am 14.11. berichtete die Märkische-Onlinezeitung über die Diskussion um den Schwimmunterricht in Neuenhagen, welcher dieser Tage im Freibad stattfindet. Leider wurde die Debatte nur sehr unvollständig wiedergegeben. Ein Nachtrag.

 

1. Anlass: Der Anlass war, dass aufgrund fehlender Schwimmlehrer, wofür die Schulbehörde zuständig ist, Klassenfahrten zu Schwimmfahrten inklusive hinzugebuchtem Schwimmlehrer und Schwimmhalle veranstaltet wurden. Die Kosten hatten die Eltern allein zu tragen, was sie nicht länger hinnehmen wollten. Da sich mittlerweile immer mehr Eltern für eine solche Fahrt entscheiden, entspann sich eine Debatte über die Sinnhaftigkeit des Unterrichts im Freibad an sich. Die SPD hat nun beantragt, den Schwimmunterricht im kommenden Schuljahr 2015/2016 in die Schwimmhalle zu verlagern, wo es auch an Schwimmlehrern nicht mangelt.

 

2. Missstände: Der eigentliche Missstand ist, dass da Land zwar ausreichend Sportlehrer an die Schulen entsendet, diese aber nicht über die Qualifikation als Schwimmlehrer bzw. die Ernennung als Rettungsschwimmer verfügen. In der Debatte wurde deutlich, dass es weniger um Missstände geht, als um eine Verbesserung der Situation. Derzeit gibt es zwei Wochen Schwimmunterricht in der dritten Klasse im Freibad bei etwa 20° Wassertemperatur und bei angemessenem Wetter. Selten muss der Unterricht aufgrund schlechteren Wetters ausfallen, meistens konnte dieser vor- oder nachgeholt werden. Die Kinder werden außerhalb des Wassers in Bewegung gehalten, sodass sie nicht ins Frieren kommen. Die Alternative ist die Nutzung des Schwimmbades in Strausberg, bei einer Nutzung von diskutierten 20 oder 40 Wochen im dritten Schuljahr, bei einer Wassertemperatur von um die 25°, wie auch im Sport üblich.

 

3. Die Ergebnisse der Umfragen: Zwei der drei Grundschulen haben ihre Eltern gefragt und zwar zu drei Optionen: Schwimmbad, Freibad oder Mischvariante bei schlechtem Wetter. Eine, am Schwanenteich, hatte die Umfrage seitens der Schulleitung blockiert. Sie holte es nach, indem sie die Kinder befragte, ob es ihnen im Freibad gefallen habe - ohne weitere Optionen zu stellen. So kam es zum Ergebnis: Unter den Eltern sprachen sich ein Drittel fürs Schwimmbad und ein Drittel für die Mischvariante aus, ein Drittel wollte gänzlich im Freibad bleiben. Somit haben sich Zwei-Drittel für eine Verbesserung der jetzigen Situation ausgesprochen. Nimmt man nur die (repräsentativeren) Zahlen der beiden kooperierenden Grundschulen, waren es am Ende nur 9,6% der Eltern, die sich für das Freibad aussprachen. Die bei Schwanenteichs befragten Kinder gaben sich größtenteils zufrieden, wünschten sich aber auch mehr Zeit z.B. auch zum Spielen. Die Schulleitungen haben sich unterschiedlich geäußert: Goetheschule will in die Halle, Fallada versteht beide Seiten, Schwanenteich will im Freibad bleiben.

 

4. Die Optionen der Politik: In der Gemeinde wird nun diskutiert, ob man verbessern will oder nicht. 20 Wochen würden für alle Schulen 44.000€ kosten, 40 Wochen 54.000€. Darunter fallen Transport und Eintritt für die Kinder und die Begleitpersonen. Ebenso würde voraussichtlich mehr Zeit für die An- und Abreise benötigt, wodurch dann der Sportunterricht im dritten Schuljahr, bzw. bei 20 Wochen dem Schulhalbjahr, wegfallen würde. Eine Mischvariante ist leider nicht möglich, da die Schwimmhallenbetreiber nicht kurzfristig auf Wetter reagieren können, sondern immer zu Beginn des Schuljahres verbindliche Termine mit den Schulen aushandeln. Somit bleibt nur ganz Schwimmbad oder ganz Freibad. Über Optionen, etwa nur der Goetheschule die Halle zu finanzieren, was ihr Wunsch ist, wurde nicht diskutiert.

 

5a. Die Argumente für das Freibad: Neuenhagen zahlt jährlich über 300.000€ Zuschuss für das Freibad, also in der Gegenrechnung von Ausgaben und Einnahmen. Als das Bad 1993 saniert wurde, war die Ermöglichung des Schwimmunterrichts ein Teil der Beweggründe dafür. Seitdem gab es von Kindern und Eltern kaum bis gar keine Beschwerden. Der Lehrplan sieht vor, das Schwimmen zu erlernen - nicht mehr und auch nicht weniger. Das Ziel konnte bisher immer erreicht werden. Auch gab es kaum erhöhte Krankenstände, etwa durch Erkältungen. Da die Gemeinde derzeit ohnehin jeden Cent umdreht, da Mittel für das Mittelzentrum unsicher sind und eine neue Kita womöglich nicht EU-gefördert wird, sind 44.000€ bzw. 54.000€, welche ja fortlaufend anfallen würden, eine mitunter zu leistende Größe. Bedenkt man die niedriger angesetzte Steuerschätzung vom November und wegbrechende Mittel in den kommenden Jahren, müsste man fürs Schwimmen in der Halle womöglich an anderer Stelle kürzen. Die Verwaltung hat sich jetzt schon das Ziel gesetzt, Einsparungen für 2016 zu erarbeiten, ungeachtet der Tatsache, dass jeder Fachbereich bei sich eigentlich nach wie vor einen Mehrbedarf sieht. Selbst wenn es 2015 als in der Halle ginge, könnte es schneller wieder ins Freibad zurückgehen müssen, als man es traurigen Kindern vermitteln kann.

 

5b. Die Argumente für die Schwimmhalle: Ob für Sportler oder Lernende: Die ideale Wassertemperatur beträgt 24-27° - diese werden im Freibad nicht erreicht. In Berlin ist es vollkommen üblich, die Schwimmhallen zu nutzen, sodass es in unmittelbarer Berlinnähe auf Unverständnis bei Eltern trifft. Ebenso kann in 20 oder 40 Wochen besser gelernt werden, auch Abzeichen über das "Seepferdchen" hinaus könnten in der Halle erworben werden. In den Ferien könnten Eltern zusätzlich mit ihren Kindern das Erlernte vertiefen, ähnlich wie in allen anderen Fächern. Auch kann in zwei Wochen kaum ein Talent erkannt werden. In Berlin ist der Schwimmunterricht die häufigste Werbung für das Eintreten in einen Schwimmverein. Neuenhagen hat keinen Schwimmverein im Freibad. Finanziell sollte man nicht außer acht lassen, dass Neuenhagen viel zusätzlich leistet: Es gibt eine Eltern-Kind-Gruppe, trotzdem Mittel des Kreises dafür wegfielen, generell befinden sich ungewöhnlich viele Kitas in eigener Trägerschaft, was zu außergewöhnlichen Personalkosten führt und den zwei Fußballvereinen wird jährlich ein Platz mit sechsstelligen Bewirtschaftungskosten zur Verfügung gestellt, welcher für Freizeitkicker nicht zugelassen ist. Warum jetzt beim Schwimmunterricht haltgemacht werden soll, ist schwer vermittelbar. Der Haushaltsplan 2015 sieht derzeit ein Plus von 389.000€ vor, es gibt also durchaus noch Reserven, vor allem wenn man bedenkt, dass 2015 nur das Schulhalbjahr zu finanzieren ist. Am Ende haben die Eltern ein klares Votum abgegeben und selbst wenn man Schwanenteichs Umfrage mit einberechnet, bleibt es eine überdeutliche Mehrheit, die sich Veränderungen wünscht. Dass sich immer mehr für eine eigenfinanzierte Schwimmfahrt entscheiden, deutet nicht an, dass der Schwimmunterricht im Freibad noch lange die übliche Praxis sein wird. Es bleibt anzumerken, dass das vor allem die Eltern trifft, welche sich das zwar durchaus leisten können, aber dennoch keinen Cent zu viel verdienen. Können sozial Benachteiligte Unterstützung beim Amt beantragen, ist es mal wieder der Mittelstand, welcher erneut überproportional zur Kasse gebeten wird, für das, was der Staat nicht auf die Reihe bekommt.

 

6. Negative Aspekte der Diskussion: Trotz besseren Wissens, wird der Krankenstand und die Wassertemperatur als Mängel angeprangert. Ebenso wird vermengt, dass für den Mangel an Schwimmlehrer nicht Neuenhagen verantwortlich ist und somit auch nicht für die Behebung des Missstandes. So wäre etwa eine Finanzierung der Schwimmfahrten seitens der Gemeinde, wie von einigen gefordert, eine Übernahme von Kosten, welche eigentlich das Land zahlen müsste. Auch fehlen Finanzierungsvorschläge für die Hallennutzung. Auf der anderen Seite spielte die Meinung der Eltern leider kaum eine Rolle. Auch wiegt ein altbekanntes Argument schwer, der Todfeind jedes Pädagogen: "Mir hat das als Kind auch nicht geschadet, ich habe so auch gelernt", sagten einige in der Diskussion. Die Pädagogik entwickelt sich aber weiter und das macht vor keinem Fach halt. Ebenso klang es manchmal eher strafend, wenn gesagt wurde: "Das Freibad kostet der Gemeinde viel Geld, jetzt sollen die Schulen das auch nutzen". Offenkundig schwillt hier ein grundsätzlicher Diskurs über das Freibad an sich im Hintergrund. Dass man bei Schwanenteichs eine Umfrage gänzlich verhindern wollte und dann nur eine sehr gelenkte Befragung zuließ, ist gelinde gesagt ein Skandal. Die Haltung der Schulleitung zu Partizipation von Eltern und Schülern hat mit 25 Jahre Mauerfall nichts zu tun.


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Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf