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„Willkommen in Utopia“ oder „Das Platzeck/Bullerjahn-Papier“

Matthias Platzeck ist wieder da und will auf die Bundesbühne zurück. Dazu hat er zwei Dinge mitgebracht. Einmal den Jens Bullerjahn, Finanzminister von Sachsen-Anhalt und dazu das Platzeck/Bullerjahn-Papier, welches die Märkische Allgemeine Zeitung am 4. November 2006 vorab druckte ...

Matthias Platzeck ist wieder da und will auf die Bundesbühne zurück. Dazu hat er zwei Dinge mitgebracht. Einmal den Jens Bullerjahn, Finanzminister von Sachsen-Anhalt und dazu das Platzeck/Bullerjahn-Papier, welches die Märkische Allgemeine Zeitung am 4. November 2006 vorab druckte.


Offensichtlich müssen die beiden Herren recht lange geruht haben, denn sie haben etwas ersonnen, was die politischen Umstände, die sich in Deutschland in den letzten zehn Jahren ergeben haben, völlig verkennt: Denn eigentlich sollten sie wissen, dass in der Bundesrepublik zurzeit mehr als die Hälfte aller arbeitsfähigen und arbeitswilligen Menschen zumindest mit von staatlichen Transferleistungen abhängen. Diese Leute haben sich diese Situation so nicht ausgesucht und sie haben sie auch nicht zu verantworten. Schuld daran ist vielmehr das sich von einer immer hässlicheren Seite zeigende multinationale Großkapital.
Dies liegt mit unter daran, dass nationale Regierungen, darunter auch die lange Zeit von der SPD geführte oder zumindest mitgeführte deutsche, es versäumt haben, die globalen Produktionsmittel- und Kapitaltransfers zu verlangsamen und zu kanalisieren.

Doch mit einem Papier und sechs Kernthesen wollen Platzeck und Bullerjahn das Ruder nun herumreißen:

  1. Vorausschauend gestalten: Man möchte den Menschen die Chancen verbessern selbst etwas aus sich zu machen. Sehr gut.
    Frage: Darf man das Politikern überlassen, die die Frankfurter Chipfabrik für die Bürger der Stadt Frankfurt geplant haben?
  2. „Wir haben uns in Deutschland in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich zu stark auf das nacheilende Reparieren und Einspringen in Notfällen konzentriert.“ Richtig.
    Frage: Wer hatte in Brandenburg seit der Wende regiert?
  3. Ein nachsorgender und beitragsfinanzierter Sozialstaat hat keine sozialdemokratische Perspektive mehr. Schlecht.
    Frage: Was macht Sozialdemokratie dann noch aus?
  4. Mehr Bildung und Arbeit für alle. Wer diese Kriterien nicht erfüllen kann, hat keinen Anspruch gegen den Staat, da nur noch zukunftsträchtige Förderung vorgesehen ist. Unrealistisch.
    Frage: Was wird aus den jetzt Anspruchsberechtigten? Simsalabim?
  5. Die Menschen sollen zur Befähigung gefördert werden, an Wirtschaft und Gesellschaft teilzuhaben. Gut.
    Frage: Werden die Förderkriterien von derselben Regierung festgelegt, die die Projekte Lausitzring und Cargolifter für förderungswürdig hielt?
  6. Für die Qualität des modernen Sozialstaats ist es nicht von Bedeutung, wie stark die Umverteilung von Finanzmitteln von Arm nach Reich vorgenommen wird. Ganz schlecht.
    Frage: Wie kann so ein Gedanke jemandem für den einzelnen Bürger einfallen, der selbst, als Landesvertreter von Brandenburg bzw. Sachsen-Anhalt, stets von immensen Transferleistungen abhängt?

Ein Staat, der den Bürger nicht mehr umsorgt, sondern ihm lediglich Rahmenbedingungen bietet, innerhalb welcher dieser sich selbst erhalten muss, unabhängig von der persönlichen Ausgangslage und persönlicher Schwächen? Ein Staat also, der jene fördert, die ihm förderungswürdig erscheinen, weil sie dereinst den Steuersäckel kräftig füllen könnten? Ein Staat aber anderseits, der einen Teil seiner Bürger von vorneherein als Belastung abschreibt? Man mag gar keine Prognose für solch ein Gebilde wagen, aber Platzeck und Bullerjahn haben genau dieses Vehikel zur Verbesserung deutscher Wettbewerbsbedingungen auf dem Weltmarkt in Anschlag gebracht. Das 6,5 Millionen Menschen starke abgehängte Prekariat ist in dieses Konstrukt längst mit eingeplant. Es heißt jetzt lediglich „ein strukturell verfestigtes neues Unten“. Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu wissen, dass, was sich einmal unten verfestigt hat, auch unten bleiben wird. Und da es unten bleibt, wird es sich auch unten vermehren. Was sich aber unten vermehrt und dabei verfestigt bleibt, das wächst auch unten heran. Mit anderen Worten: Die Zahl der Bedürftigen und Hoffnungslosen in Deutschland wird steigen und dies ist obendrein noch eingeplant!

Dr. phil. Arno Gassmann


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Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf