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Sven Kindervater

Viel Wirbel um nichts: Stillstand in der Ernst-Thälmann-Straße

Es kommt selten vor, wenn sich Gemeindevertreter am Ende eines letzten Tagesordnungspunktes ganz ungläubig angucken. Wenn man dann noch erfährt, dass ein Gemeindevertreter anders abgestimmt hat, als er wollte und das die entscheidende Stimme war, wird die Einmaligkeit schnell klar. Aber fangen wir von vorne an.

Liebe Neuenhagenerinnen und Neuenhagener,

es kommt selten vor, dass man in der Gemeindevertretung (GVT) das Gefühl einer Schockstarre erlebt. Hitzige Debatten sind bekannt, wacklige Abstimmungen sind auch keine Seltenheit mehr und auch zu den Verlierern zu gehören, hat man deutlich mehr als ein paar Mal durch. So ist es eben in der Demokratie und so soll es auch sein. Wo es Reibung gibt, entsteht Hitze und die ist ja bekanntlich nur eine Umwandlung von Energie, sagt der Physiker.

Es ist aber schon etwas Anderes, wenn sich Gemeindevertreter am Ende eines letzten Tagesordnungspunktes ganz ungläubig angucken und sich fragen, was denn da gerade passiert ist. Wenn man dann noch erfährt, dass ein Gemeindevertreter anders abgestimmt hat, als er wollte und das die entscheidende Stimme war, wird die Einmaligkeit schnell klar. Aber fangen wir von vorne an.

 

Mit Mut in die große Debatte

Nachdem man sichtlich erleichtert nach gefühlt hundert Jahren in der Eisenbahnstraße zu einem Kompromiss gekommen ist, ging die GVT motiviert ins Frühjahr und aus jeder Ecke hörte man den Wunsch, sich der Ernst-Thälmann-Straße (ETS) annehmen zu wollen. Ja genau, diese andere Jahrhundertstory ohne Ergebnis.  Schon vor Jahren hieß es von Seiten des Bürgermeisters, das Thema fasse er nicht wieder an. Sein Fachbereich durfte jetzt schmerzlich erfahren, warum der Frust bei diesem Thema gar zur Arbeitseinstellung führte.

Der Fachbereich war es nämlich, welcher die Initiative ergriff – und leider erst einmal Wasser in den Wein gießen musste. Genauer gesagt: Regenwasser. Wie es sich fügte, wurde gleichzeitig in der Gemeinde die beauftragte Regenwasserkonzeption fertig und die wartete mit einigen unangenehmen Überraschungen auf. Was manchen S-Bahn-Fahrenden bereits aufgefallen ist, hatten wir kurze Zeit später auch Schwarz auf Power Point im Ausschuss: Am Ende der ETS sammelt es sich bei Starkregen in großen Seen. Und Klimawandel sei Dank, gibt es davon zunehmend mehr.

Während also die holde Entscheidungsinstanz im Ort freudestrahlend an das Gebiet rund um den REWE dachte, setzten die Planer am anderen Ende an. Denn auch hier weiß der Physiker: Wasser fließt noch immer den Berg hinab. Ein großes Auffangbecken unterhalb des Platzes der Republik ist dazu angedacht. Das muss geplant, gebaut und vor allem bezahlt werden. Und Puff machte es in den Köpfen im Rathaus, aus dem schnellen Ausbaus des  Südendes wird es erst mal nix.

Wie es Überbringern schlechter Nachricht im Verlaufe der Menschheitsgeschichte erging, ist recht gut überliefert. Und das nicht sein kann, was nicht sein darf, soll auch schon mal vorgekommen sein. Irgendwas davon muss sich auch der Fachbereich gedacht haben, denn er wartete mit einer überraschenden Lösung auf.

 

Eine sofort umsetzbare Idee

Nach einem Gang in die „fröhliche Kämmerei“ (Zitat aus einem Ausschuss, ich nenne die fortan nie wieder anders), legte man folgenden Schlachtplan aus: Einteilung der ETS in vier Teile, angefangen natürlich oben am Rathaus, die Kosten verteilt auf vier Jahre. Inklusive der zu leistenden Planungen in 2017 (für 2016 sind dafür keine Gelder eingestellt) also Bauphasen zwischen 2018 und 2021. Das hängt auch damit zusammen, dass die GVT gerne Grundschulen ausbauen, Schwimmhallen errichten und noch allerlei Kleinkram wie Jugendsozialarbeit will und so ein Fachbereich sich durchaus bewusst ist, dass es nicht nur ihn auf der Welt gibt.

Doch das Schicksal gab sich noch nicht zufrieden und klopfte ein zweites Mal ans Büro am Ende der obersten Etage des weißen Neubaus. Verkehrsgefährdung auf Höhe des neuen Bio-Marktes „Grüne Neune“, muss sofort ausgebessert werden. Kosten: ca. 2400€. Einfach mal so. Wir ham‘s ja.

So geht das nun seit vielen Jahren in der ETS: Es wird herumgedoktert und ein Zustand erhalten, den eigentlich niemand will. Ergebnis ist ein holpriger Flickenteppich mittelalterlicher Anmutung, das zudem ein Steuergeldvielfraß ist. Doch so sollte es nicht weitergehen.

Ein neuer Plan aus der Verwaltung sah vor, in der Mitte der ETS als Übergang bis 2021 eine dünne Asphaltdecke zu legen. Breit genug für Autos und Fahrrad und günstig genug, um noch als Übergang durchgehen zu können. Die Anwohner sollten überhaupt nicht zur Kasse gebeten werden. So wollte man wenigstens bis zum grundsätzlichen Ausbau die ETS so reparieren, dass bis dahin Ruhe ist und dennoch nicht nichts passiert. Und der Coup: Das alles innerhalb von fünf Wochen, während der REWE schließt. Noch diesen Sommer. Ohne Jahrzehnte Debatte, sondern quasi nach meiner Kenntnis ist das… sofort, unverzüglich.

Es durfte nur eben nicht sein, was zu schön gewesen wäre. Das Irre an der Debatte ist, dass es diesmal nicht wirklich um Argumente ging. Sondern um Es-einfach-nicht-verstehen-wollen. Einige murrten bis zum Schluss, warum wir nicht einfach 2018 am Südende anfangen. Nix verstanden. Andere meinten, die Asphaltdecke hält keine zehn Jahre (so stand es im Beschlusstext). Dabei ging es nur um fünf. Nix verstanden. Und wieder andere meinten, man müsse das Pflaster unbedingt erhalten. Das wollten alle, aber dann eben beim grundsätzlichen Ausbau. Jetzt ging es darum, eine funktionierende Lösung bis dahin zu zimmern. Nix verstanden.

 

LINKE war geschlossen dafür

Als es dann am Ende elf Ja – DIE LINKE stimmte als einzige Fraktion geschlossen dafür – zu elf Nein bei fünf Enthaltungen ausging, fiel dann einem Gemeindevertreter der mit Nein stimmte noch auf, dass er eigentlich mit Ja stimmen wollte. Er war nur gegen einen Änderungsantrag, für 2017 Planungsgelder einzustellen und hatte die Abstimmungen verwechselt. Warum er allerdings für das Provisorium, aber gegen Gelder für den eigentlichen Ausbau war, darf er dann gerne seinen Enkeln erklären. Und mir bitte auch.

 

Sven Kindervater ist Vorsitzender der Fraktion und des UBOA


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Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf