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Verteilungssünden

Der warme Regen wirtschaftlicher Entwicklungsfortschritte scheint Naturgesetze zu überlisten. Er fällt zunehmend nicht von oben nach unten, sondern er steigt als Profit in die höheren Schichten der Gesellschaft.

Der warme Regen wirtschaftlicher Entwicklungsfortschritte scheint Naturgesetze zu überlisten. Er fällt zunehmend nicht von oben nach unten, sondern er steigt als Profit in die höheren Schichten der Gesellschaft.
Wie das in den zwei Jahren der großen Koalition vor sich ging und was 2008 zu erwarten ist, wird anschaulich und übersichtlich in einem „verteilungspolitischen Sündenregister" dargestellt, das von der Fraktion Die Linke. im Bundestag angefertigt wurde. Seine Lektüre ist allen sehr zu empfehlen.
Das Register beginnt mit der Steuerpolitik und hier wiederum mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer. Diese beträgt brutto 22 Mrd. €, wovon 7,5 Mrd. € für die Beitragssenkung der Arbeitslosenversicherung verwendet werden, netto also 14,5 Mrd. €. Diese Steuererhöhung betrifft alle Einkommensgruppen, insofern sind sie alle gleich. Nur einige sind etwas gleicher. Das unterste Zehntel der Einkommensempfänger muss eine mehr als doppelt so große Einkommensminderung hinnehmen als das oberste. Nimmt man bei „Normalverdienern“ den Wegfall oder die Verminderung bisheriger Steuervergünstigungen (z. B. Entfernungspauschale) hinzu, dann erhält man einen Betrag von über 22,5 Mrd. €, der zum größten Teil auf die Normalverdiener entfällt.
Aber die Reichen werden doch auch zusätzlich zur Kasse gebeten...
Stimmt, der Spitzensatz der Einkommenssteuer soll in den oberen Gruppen der Steuerzahler von 42% auf 45% steigen. Der Finanzminister erwartet hierdurch Mehreinnahmen von 250 Millionen €. Der Zahlenvergleich spricht für sich.
Ich will ihn hier nicht fortsetzen. Die Bundestagsfraktion hat aus diesen Darlegungen insgesamt 14 steuerpolitische Forderungen abgeleitet.
Die Ausarbeitung enthält außerdem wichtige Informationen zu weiteren steuerpolitischen Festlegungen, zur Wirtschaftspolitik, sowie zur Arbeitsmarktpolitik, darunter auch zu Rentenproblemen.
Wer das alles liest wird sich vielleicht fragen, was denn an dieser Aufstellung spektakulär ist. So ist nun einmal der Kapitalismus. Ja, so ist er im Prinzip überall, aber ebenso richtig ist auch, dass Deutschland im Hinblick auf den Sozialabbau in der EU den Vorreiter darstellt. Das ist nun schon seit Jahren der Fall.
Wenn man hier eine europäische Normalisierung fordert, dann gerät man jedenfalls nicht (wie auf manch anderem Gebiet) in schlechte Gesellschaft.
Die vielen finanzpolitischen, allgemein wirtschaftspolitischen sowie den Arbeitsmarkt betreffenden Details sollten eines nicht vergessen machen: Der gesellschaftspolitische und ökonomische Kern der ganzen Umverteilungsprozesse besteht in der Verminderung des Preises und des Wertes der Arbeitskraft, also in der absoluten und relativen Senkung der Löhne und anderer Arbeitseinkommen.
Von der Verteilung der Summe der Wertschöpfung in Arbeitslohn und Profit (sogenannte Primärverteilung) wird direkt oder indirekt alles Verteilungsgeschehen bestimmt. Nicht nur die Rentner wissen ja, dass die Rentendynamisierung (wenn sie denn stattfindet) sich aus dem Wachstum der Nominallöhne ableitet.
Um so wichtiger sind gewerkschaftliche und andere Aktivitäten, die sich gegen diese Entwertung der Arbeitskraft richten. Wenn bestimmte Beschäftigtengruppen günstige Bedingungen für Streikkämpfe nutzen, dann dienen sie damit nicht nur sich selbst, sondern in der Regel auch ihren anderen Kollegen. Und geben das Beispiel, dass sich Kampf lohnen kann.

Hans-Joachim Braun


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Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf