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Unsere Rente

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Häufig werde ich als linker Unternehmer, immer mit einem Augenzwinkern gefragt, was ich von „der Rente“ halte. Ich habe es da relativ einfach: den Mindestbetrag einzahlen und warten bis ich 67 Jahre bin.

Zugegeben, es ist wenig, auf was ich mich im Hinblick auf „Rente“ verlassen kann. Ich habe jedoch darauf noch einen anderen Blick. Auf der einen Seite zahlen heute Arbeitnehmer einen Rentenbeitrag paritätisch mit dem Arbeitgeber in ein System ein und hofften, später dann daraus eine Rente zur Verfügung zu haben. Der Istzustand ist aber ein anderer. Die Rente drückt sich in angesammelten Renten-Punkten des Rentensystems aus, die dann bewertet werden und zur Auszahlung kommen.

Ich habe mich mit zwei Rentenversicherern der Versicherungsanstalten unterhalten und dazugelernt: es gibt Renten die so niedrig sind, dass sie zur Höhe einer Grundsicherung aufgestockt werden müssen.

Wenn Politiker auf die Rente schauen, geht der Blick natürlich auch auf die Zielgruppe Rentner. Auf der einen Seite wollen die gewählten Abgeordneten das jeweilige Wohlstandsniveau dieser Zielgruppe nur unter Berücksichtigung des Haushaltseinkommens beurteilt wissen. Das wären ein Prozent des Bruttoeinkommens und sind derzeit Wohngeld-, Sozialhilfe- oder Grundsicherungszahlungen. Die Zusammensetzung des Bruttoeinkommens unterscheidet sich zwischen den Geschlechtern, zwischen Ost- und Westdeutschland sowie dem Familienstand. So ist beispielsweise der Anteil des Einkommens aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Ostdeutschland höher als in Westdeutschland, da in der DDR beide Ehepartner zumeist beschäftigt waren und die Kindergelder zudem auch mit eingerechnet werden. Es macht ja einen Unterschied, mit 19 im Beruf zu stehen als mit 33 seinen ersten guten Job annehmen zu können. Außerdem ergibt sich bei alleinstehenden Frauen ein höherer Anteil als bei alleinstehenden Männern oder Ehepaaren. Zudem gibt es Menschen mit  Kleinstrenten, bei denen die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung keinen Rückschluss auf die Einkommenssituation ihrer Bezieher erlauben.

Folge ich den Angaben der Rentenversicherungen, sind niedrige Renten demnach nicht unmittelbar mit einer schlechten Einkommensposition gleichzusetzen. Viele Bezieher von Kleinstrenten sind ehemalige Selbstständige mit privater Absicherung oder Beamte mit Pensionen sowie über den Ehepartner abgesicherte Personen.

Gesetzliche Rentenversicherung, Alterssicherungssysteme, Erwerbstätigkeit, Zinsen, Vermietung, Verpachtungen, Lebensversicherung, Sozialhilfe, Grundsicherung, Mietzuschuß: da gibt es viele Stellschrauben, an denen die Regierung drehen möchte, um die Umverteilung mit klangvollen Namen (Riester, Rürup Hartz IV oder Rente mit 67 oder 69) weiterzuentwickeln.     

Demografische und ökonomische Grundannahmen
Mittelfristig gelten die Annahmen des interministeriellen Arbeitskreises „Gesamtwirtschaftliche Vorausschätzungen“. Langfristige Annahmen zu den Berechnungen basieren im Wesentlichen auf den ökonomischen Grundannahmen, welche die „Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme“ (Rürup-Kommission) im Jahr 2003 erarbeitet hat und diese entsprechend weiterentwickelt.

Die Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes teilte mir auf Anfrage mit: „Die mittlere fernere Lebenserwartung von 65-jährigen Frauen wird bis zum Jahr 2030 auf 87.4 Jahre ansteigen, bei Männern wird ebenfalls ein Anstieg von auf 84.1 Jahre im Vergleich zur Sterbetafel 2004 bzw.2006 unterstellt“. Die Geburtenraten bleiben annahmegemäß langfristig auf dem gegenwärtigen Niveau von knapp 1,4 an Neugeburten konstant, also zu wenig. Seit 2010 wird eine jährliche Nettozuwanderung von insgesamt 200.000 Personen beobachtet, die, aus welchen Gründen auch immer, in unser Land leben kommen.

Der langfristige Zeitraum
Nach den Modellrechnungen steigen die Renten unter Berücksichtigung der modifizierten Schutzklausel - nach der die unterbliebenen Rentendämpfungen der Jahre 2005 und 2006 ab dem Jahr 2011 mit Rentenerhöhungen verrechnet werden - bis zum Jahr 2021 um insgesamt rund 29 % an. Dies entspricht einer durchschnittlichen Steigerungsrate von 1,7 % pro Jahr. Das Sicherungsniveau vor Steuern sinkt von 51,0 % im Jahr 2007 bis 2021 auf 46,2 %. Beitragssatz sowie Sicherungsniveau vor Steuern bewegen sich damit rein rechnerisch im Rahmen der im Gesetz vorgesehenen Grenzwerte von 20 % bzw. von 46 % bis zum Jahr 2020 und von 22 % bzw. von 43 % bis zum Jahr 2030. Der Rückgang des Sicherungsniveaus vor Steuern macht deutlich, dass die gesetzliche Rente zukünftig alleine nicht ausreichen wird, um den Lebensstandard des Erwerbslebens im Alter fortzuführen. In Zukunft wird der erworbene Lebensstandard nur erhalten bleiben, wenn die finanziellen Spielräume des Alterseinkünftegesetzes und die staatliche Förderung genutzt werden, um eine zusätzliche Vorsorge aufzubauen.

Worum es geht
Die Zentrale Säule der Altersversorgung wird aber auch weiterhin die gesetzliche Rente bleiben. Das ist der Kern, den wir als Linke zum konkreten Gegenstand politischen Handelns machen können und müssen. Seit einiger Zeit redet die Bundesregierung nicht mehr über die Rente ab 67; vielmehr diskutiert Schwarz-Gelb ernsthaft den irrsinnigen Vorschlag der sogenannten Wirtschaftsweisen, die Rente erst ab 68 oder ab 69 zu gewähren.

Doch ein höheres gesetzliches Rentenalter bedeutet für die Friseurin oder den Gerüstbauer und die meisten Beschäftigten nicht mehr Lebensarbeitszeit oder gar mehr Rente. Die Rente erst ab 67, von der Rente erst ab 69 ganz zu schweigen, bedeutet für die Menschen deutlich weniger Rente. Das ist die bittere Konsequenz, und genau das müssen wir verhindern. Als Linke gilt es das zu verhindern. Vor allem hat Schwarz-Gelb den Sektor Billigarbeiter und Lohnsklaverei neu definiert. Hier steht ein Machtkampf bevor, denn wer wenig einzahlt in die gängigen Zuverdienst-Strukturen, die dann auch noch besteuert werden, hat es schwer, im Alter sein Auskommen zu haben.

Frau Bundeskanzlerin Merkel hat auf der Pressekonferenz zum Demografie-Gutachten des Sachverständigenrates die Frage aufgeworfen: „Wie wir die reale Arbeitszeit dem gesetzlichen Renteneintrittsalter besser annähern und Chancen für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schaffen können“.

Schon die Frage macht deutlich, dass hier niemand weiß wovon er spricht. Erst bastelt die schwarz-gelbe Regierung wirklichkeitsfremde Gesetze, und dann verlangt sie unter Androhung drastischer Rentenkürzungen von den Menschen, dass sie sich diesen weltfremden Gesetzen anpassen müssen. Es muss doch in der Politik anders herum sein: erst müssen die Gesetze realitätstauglich sein. Aber genau das ist die Rente mit 67 ganz und gar nicht. Sie ist eine versteckte Rentenkürzung, bei der alle draufzahlen, die ihre Arbeit nicht mehr ausüben können. Denn bereits zum heutigen Jahr klafft eine riesige Lücke zwischen dem tatsächlichen Rentenbeginn und dem gesetzlich vorgeschriebenen Rentenalter. Heute halten sich die Menschen im Durchschnitt bis gut 63 am Arbeitsmarkt. Sie schaffen es gar nicht bis zu ihrem 65. Geburtstag, wie vom Gesetz vorgesehen.

Die Fakten: 1 Million Arbeitslose sind älter als 50. Das hat der Bundesagenturchef kürzlich noch einmal gesagt. Bei den Erwerbslosen über 55 hat es keinen Rückgang der Arbeitslosigkeit im Vergleich zum vorigen Jahr gegeben; dies zum Stichwort "Mentalitätswechsel". Nur jeder Fünfte zwischen 60 und 65 schafft den Sprung aus der Arbeitslosigkeit in einen Job.

Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Herr Weise, hat im Ausschuss für Arbeit und Soziales wörtlich gesagt: „Niemand stellt 60-Jährige ein.“

Das wird von den meisten als eine Riesensauerei empfunden, zu Recht.
Wer dann jedoch noch den Niedriglohnsektor fördert und fordert und wer einen angemessenen gesetzlichen Mindestlohn blockiert, wer demografische Entwicklungen als Drohkulisse sät, wird vor allem eines ernten, nämlich weitere Rentenkürzungen, und er wird die Altersarmut für Millionen zur sozialen Realität machen. Wer das nicht will, muss heute gegen die Rente ab 67 auftreten.

Liebe Leser, DIE LINKE ist ohne Wenn und Aber gegen die Rente ab 67. Deswegen fordern wir mit unserem Antrag, die Rente erst ab 67 vollständig zurückzunehmen. Im Parlament stehen wir bislang mit dieser Haltung allein da. In der Gesellschaft gehören wir jedoch zur großen Mehrheit all derer, die die Rente erst ab 67 ablehnen.

Ich komme zum Schluss: CDU, CSU, FDP, SPD und die Grünen wollen - mit Abweichungen - die Rente erst ab 67. Aber auch aus ihren Reihen hat es die eine oder andere nachdenkliche Stimme gegeben, ohne jedoch völlig von dem Ziel der Rente erst ab 67 abrücken zu wollen. Wenn unsere Kritik und unsere Bedenken  tatsächlich endlich ernst genommen würden, hätten wir die Chance, diese Frage um 4-5 Jahre zu verschieben. In dieser Denkpause könnten alle Vorschläge und Alternativen dann - ganz im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung - ernsthaft diskutiert werden.

Sagen Sie Nein zur Rente ab 67!

Uwe Hamann

060611


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Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf