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Stell’ Dir vor es ist Hochwasser und nur die Biber gehen hin

Eine Betrachtung von Arno Gassmann + 3 Kommentare

Das Oderbruch hatte, und hat noch, eines seiner schwersten Hochwasser zu überstehen. Im Schutzbereich zwischen Hohensaaten und Zollbrücke etwa reichten die Pegelstände bisweilen gar an die Rekorde des Jahres 1997 heran. Wir erinnern uns sicher alle nicht mehr so genau an die damaligen Umstände, aber die allgemeine Hilfsbereitschaft und das Bild des telegenen Altkanzlers Gerhard Schröder als entschlossener „Deichgraf“ ist sicher den meisten noch in Erinnerung.

Wenn wir diesen Winter weniger mit der nicht undramatischen Lage an der Hochwasserfront konfrontiert worden sind, lag das in erster Linie an der Leistungsfähigkeit der zuständigen Verantwortlichen vor Ort. Ihrem Einsatz ist es zu verdanken, dass uns weitaus weniger medienwirksame Bilder von Not und Überforderung erreicht haben.

Das ist gut so, doch muss die Frage erlaubt sein, in wie weit der hohe Einsatz sich für Betroffene und Verantwortliche gelohnt hat. Sicher, sie haben das Mögliche getan, um Schaden von „Haus und Hof“, Mensch und Tier abzuwenden. Trotzdem sind erhebliche Schäden entstanden, für die nun so recht keiner verantwortlich sein möchte und die schon gar keiner bezahlen möchte.

In diesem Vakuum der Schuldfrage, rückt nun ein eigentlich ganz putziger Geselle als möglicher Hauptatverdächtiger immer mehr ins Visier interessierten Öffentlichkeit, der Biber. Sein unkontrollierter Damm- und Burgenbau habe wichtige Wasserpassagen blockiert, und so das notwendige Ablaufen überschüssiger Wassermassen verhindert.

Sicher ist es richtig, dass Biber stauen und dämmen, wo wir Menschen es nicht immer gerne sehen und somit in von uns vorhergesehene Wasserverläufe taktisch unklug eingreifen. Doch kann man ihnen deshalb die Hauptschuld an einer Hochwasserkatastrophe anlasten? Nicht wenige Experten und Betroffene gehen davon aus und so wird im Kreis und bei den Abgeordneten des Kreistages seit geraumer Zeit ein Begriff hoch gehandelt, der ein gewisses Maß an zynischem Euphemismus kaum verleugnen kann. Die Rede ist vom „Bibermanagement“. Jetzt kann es ja sein, dass mancher Leser hierbei ein diffuses Bild vor seinen inneren Auge sieht, wo Biber in Anzügen und bewaffnet mit Aktentaschen durch die heimischen Feuchtgebiete ziehen und sich mit Zollstock und Rechenschieber eine Blaupause anlegen, wie sie künftig ihrer Dämme und Burgen so anlegen können, dass sie weniger in die von den Menschen angelegten und erdachten Wasserläufe eingreifen.

Leider ist es so nicht gemeint. Es ist aber auch nicht so gemeint, dass man die ehemals stark bedrohte Tierart, vielleicht umsiedeln würde, irgendwohin, wo sie weniger Schaden in der Kulturlandschaft anrichten könnte. Nein, die Bestände sollen einfach dezimiert werden. Das heißt, es werden so viele Tiere getötet, bis Fachleute ihren Bestand nicht mehr für eine Gefahr halten. Wer diese Bibermanager nach welchen Kriterien auf den Plan holen so, ist derzeit noch nicht geklärt. Auch stellt der Fachbereich „Bibermanagement“ zur Zeit keinen in irgendeiner Weise zertifizierten Berufsstand dar.

Es dürfte deshalb nicht jeder Grundlage entbehren, wenn man darauf verweißt, dass Geschädigte nicht immer die nachsichtigsten Richter sind.

Nüchtern betrachtet, kann man festhalten dass Biber kein Wirtschaftsgut darstellen. Sie zerstören vielmehr, so die Argumentation, erhebliche Werte, indem sie zum dramatischen Anschwellen des Hochwassers beitragen. Trotzdem bezweifle ich, dass man die Nager deshalb gleich in erheblicher Zahl töten muss. Sicher gibt es auch andere Wege, mit dieser Problematik umzugehen. Das Nötige und Machbare ist eben nicht immer das, was man auf den ersten Blick je dafür halten mag.

Ein Beispiel: Es reicht eben nicht aus, eine Milchkuh aus ihrer vom Hochwasser bedrohten Stallung zu evakuieren. Man muss für sie auch eine Ausweichunterkunft finden, in der sie fachgerecht gemolken werden kann.

Dies wäre ein positives „Rindermanagement“ wie es beim Winterhochwasser noch nicht reibungslos geklappt hat. Man wird das nächste Mal besser vorbereitet sein. Vielleicht findet sich in dieser Optimierungsphase für die nächste Notfallperiode auch noch eine weniger radikale Form des „Bibermanagements“, was dringend jedem einseitigen Aktionismus vorzuziehen wäre. Immerhin haben die Verantwortlichen im Hochwassergebiet noch andere Probleme: Eine ISDN-Anlage etwa, zeitnah das Öffnen und Schließen von Dämmen, Schleusen sowie den Einsatz von Großpumpen optimal zu koordinieren, steht schon lange ganz oben auf der Wunschliste.

Arno Gassmann

Lesermeinung

Bibermanagement heißt nicht, die Bestände zu dezimieren. Nein, dazu gehört vor allem eine Lösungsfindung mit allen Betroffenen und auch die Aufklärung über den Biber. Es können Drainagerohre in Dämme gesetzt werden oder die Biber umgesetzt. Betroffene Flächen könnten auch von Flächenpool-Agenturen abgekauft werden und kämen so dem Natur- und damit dem Hochwasserschutz zugute. So gibt es beim Gewässer- und Deichverband Oderbruch (GEDO) z.B. eine Bibermanagerin, die versucht, diese Aufgaben wahrzunehmen. Sicher ist es aber richtig, dass diese Lösungen bei der Oder schwer anwendbar sind.

Juliane Kokoscha


Lieber Arno,
Du stellst das ganze schon sehr zutreffend dar. Ergänzen müsste man vielleicht noch, dass zwar durch die Biber an einzelnen Stellen zusätzliche Probleme aufttreten, die Grundursachen aber woanders liegen. Das Niveau der Oder hat sich im Lauf der Jahrhunderte erhöht, das Niveau des Bruchs ist, unter anderem durch intensive Bewirtschaftung, gesunken, so dass der Höhenunterschied einfach für eine Entwässerung bei starken Niederschlägen (dann ist ja auch der Wasserspiegel der Oder noch höher) nicht mehr ausreicht. Zusätzliches Pumpen hilft deshalb vielleicht punktuell, insgesamt wird das Problem aber dadurch nicht gelöst, zumal dadurch zusätzliches Grundwasser aus der Oder unter dem Deich hindurch nachfliessen kann, so dass sich die Wassermenge dadurch sogar erhöhen kann. Auch wenn alle Biber getötet würden, würde sich kein einziger Keller entleeren.
Deshalb müssen langfristig wirksame Maßnahmen - natürlich neben unmittelbaren Hilfen für die Betroffenen- gefunden werden. Populistische Parolen, wie sie der Landrat beim Neujahrsempfang des Landkreises von sich gegeben hat, sind dabei sicher weniger hilfreich.
Ankündigungen, die man nur so verstehen kann, dass sich der Landkreis einfach über bestehende Artenschutzregeln hinwegsetzen wird, helfen niemandem, sondern sie behindern,vielleicht als Zugeständnis an die vom Landrat angeprangerten "Wutbürger", die dringend notwendige Diskussion, wie die Zukunft der Kulturlandschaft Oderbruch langfristig gesichert werden kann....
Gruß

Georg Stockburger


Es scheint, die Biber sind an allem Schuld - das ist scheinheilig!
Schuld, denke ich , sind wir selbst, was wir in den letzten Jahren getan, oder besser gesagt, unterlassen haben.
So ist der Eindruck, wenn man im Oderbruch selbst im Hochsommer wässrige, unbestellbare Felder sieht, wo die Ernte zum Teil heute noch nicht geborgen ist. Das ist ein Jammer!
Das mit einem höheren Niveau der Oder zu begründen ist mir zu einseitig. Ich hätte gern gewußt, wie sich die Kulturmaßnahmen, die bereits Friedrich der Große  für das Oderbruch initiert hatte, und durch erneute Regulierungmaßnahmen Ende der 40er Jahre des vorigen Jahrhundert fortgesetzt wurden, heute darstellen.
Der Wasserspiegel der Spree sinkt, höre ich, und erfordert vielfältige Maßnahmen, das Wasser zurückzuhalten. Könnte nicht dafür Oderwasser gespendet werden?
Die Biber können zur Plage werden, sind es vielleicht hier und dort bereits, ab zum Sündenbock eignen sie sich gewiss nicht.

Hartwig Wolff


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Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf