Diese Website verwendet Cookies.
Zum Hauptinhalt springen

Sven Kindervater

RE: „Altlandsberg macht es vor“ + 2 Kommentare

Die Debatte um die Eisenbahnstraße kommt nicht zur Ruhe. Seitdem mit dem beschlossenen Abriss der alten Eisenbahnerhäuser nun Tatsachen geschaffen werden sollen, wird zunehmend greifbar, was im Frühjahr rund um einen neuen Drogeriemarkt beschlossen wurde. Eine Antwort auf einen Leserbrief von Irmgard Kortkamp von Sven Kindervater.

Die Debatte um die Eisenbahnstraße kommt nicht zur Ruhe. Seitdem mit dem beschlossenen Abriss der alten Eisenbahnerhäuser nun Tatsachen geschaffen werden sollen, wird zunehmend greifbar, was im Frühjahr rund um einen neuen Drogeriemarkt beschlossen wurde. Eine Antwort auf einen Leserbrief von Irmgard Kortkamp von Sven Kindervater.

 

Irmgard Kortkamp meldete sich vorgestern mit einem Leserbrief in der Märkischen-Oderzeitung zur Debatte um die Eisenbahnstraße zu Wort. Nun kommen Frau Kortkamp und ich gut miteinander klar und es bedarf zwischen uns keinen Austausch von Meinungen über öffentliche Schriften. So habe ich ihren Brief eher als Beitrag zur öffentlichen Debatte verstanden.

 

Es ist gut und richtig, dass die MOZ ihren Bereich „Leserbriefe“ nicht als Spielwiese für Politiker öffnet. Wir haben mehr als genug Möglichkeiten, uns zu Wort zu melden. Dennoch möchte ich ebenso die mir zur Verfügung stehenden Mittel wie diese Internetseite nutzen, auf den Beitrag ebenso öffentlich einzugehen.

 

Frau Kortkamp schrieb (MOZ, 19. Juli):

„Altlandsberg macht es vor“ Zu „Abriss der Eisenbahnerhäuser“ (MOZ, 12. Juli): Es war ein Glücksfall für das Dorf Neuenhagen, als im Herbst 1867 die Ostbahnstrecke eröffnet wurde. Mitten auf dem Acker entstand ein großer, solide gebauter Bahnhof mit vielen Dienstwohnungen. Ihm schräg gegenüber standen die kleineren Eisenbahnerhäuser mit Garten und Ställen für Kleinvieh. Diese waren bis vor wenigen Jahren noch bewohnt. Ein baufachliches Gutachten bescheinigte einen noch relativ guten Zustand. Ebenso dem großen Bahnhaus an der Schranke. Welches architektonisch ein besonderes Zeugnis der Zeit um 1867 ist. Die Eisenbahnerhäuser, als letzte bauliche Zeitzeugen, haben es verdient, als Denkmale unserer Geschichte," erhalten zu werden. Für anerkannte Baudenkmale könnte man auch Fördermittel beantragen. Für einen Drogeriemarktbieten sich andere Flächen an. Altlandsberg macht es uns vor wie es geht. Irmgard Kortkamp, Neuenhagen

 

Ich bin Frau Kortkamp für diesen Beitrag sehr dankbar, weil er vieles von dem zusammenfasst, was dieser Tage in Neuenhagen diskutiert wird. Im Kern steckt aus meiner Sicht die Frage nach der Identität von Neuenhagen. Was sind wir, wo kommen wir her und wo wollen wir hin – das sind die Fragen, die sich alle stellen. Nur leider sind die Antworten fast genauso vielfältig, wie wir Einwohner haben.

 

Wir haben als LINKE geschlossen für den Neubau mit Drogeriemarkt gestimmt und wir haben geschlossen für den Abriss der alten Eisenbahnerhäuser gestimmt. Nicht selten werden wir dieser Tage dafür von vielen kritisiert, die sich uns verbunden fühlen. Ich kann das nachvollziehen. Alles, worum ich bitten kann, ist mit uns im Diskurs zu bleiben. Denn wir haben uns unsere Antworten alles andere als leichtgemacht.

 

Wir haben uns in der Eisenbahnstraße für das Rationelle entschieden. Auch wenn Frau Kortkamp es so schreibt, stimmt es nicht mehr, dass es andere Flächen gibt. Die Optionen am Rosa-Luxemburg-Damm entpuppte sich als Luftnummer, am Gruscheweg sind ein Edeka und ein Aldi angedacht, am Reichelt-Dreieck gibt es neue Überlegungen, am Südende der Niederheidenstraße entstehen Wohnungen und ein REWE – wenn man hinzunimmt, dass man nicht irgendwo in die Prärie bauen will, gab es schlichtweg nur noch die Wahl zwischen Drogerie in der Eisenbahnstraße – oder gar keine.

 

Wir haben uns in der Eisenbahnstraße für ein Zentrum entschieden. Um den Einzelhandel zu stärken, haben wir dem wirtschaftlichen Argument um einen weiteren Anker – welches wir immer geteilt haben – in der Ortsmitte nachgegeben, nachdem die verkehrlichen Bedenken und die Parkplatzbedenken ausgeräumt waren. Einzig die ökologischen Bedenken – darum habe ich nie einen Hehl gemacht – konnten wir nicht gleichermaßen berücksichtigen. Da wir nebenbei auch über eine Stärkung der alten Zentren von Neuenhagen diskutieren (Carl-Schmäcke-Straße/Gruscheweg und Schäferplatz), sind wir auch der Meinung, dass der Polyzentralität von Neuenhagen ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Wir entwickeln den Ort also insgesamt, bürgernah und fußläufig.

 

Wir haben uns in der Eisenbahnstraße für die Zukunft entschieden. Es ist schön, wenn man ein historisches Zentrum hat. Aber – und jetzt werde ich mal deutlicher – wir sind weder Rothenburg ob der Tauber und auch nicht Altlandsberg. Gerade in puncto Trainierbahn waren sich Frau Kortkamp und ich sehr einig, dass ein wichtiger Ort für Bürger mehr sein muss, als eine konservierte Begehungsstätte für Geschichtsfreunde. Ich bleibe dabei: Wir brauchen kein weiteres Gelände für Pferdetrainings und die Häuser in der Eisenbahnstraße eben auch nicht. Alle Nutzungsideen wurden geprüft: Hotel, Jugendclub, Geschäftshaus – am Ende mussten wir uns eingestehen, dass nichts davon funktionieren kann, sämtliche Interessierten sind abgesprungen. Wir brauchen im Ortszentrum aber einen Ort, der allen zugutekommt.

 

Ich fasse also zusammen. Alternative Standorte für Drogerie: Mehrere Jahre geprüft, keine gefunden. Alternative Nutzungen für die historischen Häuser: Mehrere Jahre geprüft, keine gefunden. Alle Probleme rund um das Vorhaben: Ausgeräumt bis auf den ökologischen Aspekt. Und bis auf genau diesen letzten Aspekt kann ich als verantwortungsbewusster Lokalpolitiker nur eine Entscheidung treffen: Für das neue Zentrum in der Eisenbahnstraße. Wer jetzt also verlangt, wir sollen also trotz alledem, nach jahrelanger Debatte, die Häuser einfach so erhalten, damit wir da ein paar Backsteine Historie herumzustehen haben, der soll auch so ehrlich sein, dass es ihm oder ihr auch nur noch um diesen nostalgischen Aspekt geht.

 

Ich weiß, dass wir als LINKE und auch als PDS viele Jahre den Ort als Gemeinde erhalten wollten. Aber wie ich in der vergangenen Woche schrieb, hat das den Ort nur mäßig interessiert. Mit Fertigstellung der aktuell debattierten Bauvorhaben ist Neuenhagen eine vollwertige Kleinstadt mit 20.000 Einwohnenden. Daran führt kein Weg mehr vorbei. Wir können das jetzt aktiv mitgestalten oder mürrisch von außen kommentieren. Für Letzteres fühle ich mich nicht gewählt.

 

Dabei hat uns Altlandsberg schon einmal gelehrt, zu was das führen kann: Altlandsberg hat keine Eisenbahn, weil man diese im 19. Jahrhundert abgelehnt hat. Sie war zu laut und zu dreckig. Deshalb verlegte man die Strecke von Berlin nach Strausberg mitten ins Grüne zwischen die Dörfer Neuenhagen und Bollensdorf. Von hier kommt man nun in einer halben Stunde an den Alexanderplatz. Von Altlandsberg fährt alle halbe Stunde ein Bus und der erst einmal nur nach Hoppegarten. Keine gravierenden Fehlentscheidungen für die Zukunft zu treffen, ist schwer. Nichts ist so beständig, wie die Veränderung. Für Historiker, auch Bahnhistoriker, gibt es bessere Orte als das Neuenhagener Zentrum. Dieses brauchen wir jetzt für uns und das brauchen auch die, die in 150 Jahren nicht schimpfen wollen, dass wir stehen geblieben sind.

 

Es steht außer Frage, dass die Eisenbahn Neuenhagen erst attraktiv gemacht hat und dass wir mit ihr erst gewachsen sind. Aber 1867 ist man genau nicht stehen geblieben oder hat zurückgeschaut und so ist man es nach dem Krieg auch nicht bei der Trainierbahn. Man ist nach vorne gegangen. Frau Kortkamp, ich reiche Ihnen die Hand: Gehen Sie mit mir auch dieses Stück. Unser Ort, unsere Kinder und unsere Enkel werden es uns danken.

KOMMENTARE

Sehr geehrter Herr Kindervater,

 

wir als an Neuenhagen interessierte und immer aktive Bürger haben schon sehr lange gemerkt, dass die Lokalredaktion der MOZ keine kritischen Worte über die Gemeindeverwaltung geschweige denn über den Bürgermeister zulässt. Nur nicht an den Beschlüssen rütteln. Haben Sie schon einmal bemerkt, dass bei Empfängen im Bürgerhaus die Lokalredaktion, sogar mitunter der Chefredakteur der MOZ selbst mit dem Bürgermeister an einem Tisch sitzen und sich zuprosten. Das ist eine Harmonie, bei der sich selbstverständlich jedes kritische Wort in der MOZ an der Gemeindeverwaltung verbietet. Oder sehen Sie das anders?

 

Im Übrigen setzen Sie als Fraktionsvorsitzender der Linken die Tradition fort, die wir als Bürgerinitiative von Herrn Mielitz gewohnt waren, nämlich dem Entwerten alter historischer Bausubstanz in Neuenhagen mittels kurzsichtiger Argumente, nur, weil die Linke angeblich gemerkt hat, es würde nur "mäßig interessieren", gegen den Strom der anderen Parteien zu schwimmen, die aus den gekauften Grundstücken der Gemeinde in der Eisenbahnstraße den größten Gewinn zu holen.

 

Marktwirtschaftlich mag das ja richtig sein, aber für Neuenhagen wird ein Ort entstehen mit einer derzeit überall am Stadtrand zu findenden beliebigen Ausstrahlung (siehe Birkenstein). Herr Mielitz übrigens war seinerzeit empört darüber, dass GreenPark gegen den Abriss der alten Villen und des alten Pferdestalles in der Dahlwitzer Straße, Nähe Amselsteg war.

 

Weiterhin behaupten Sie, dass die Verkehrssituation an der Kreuzung Fichtestraße, Hauptstraße in den Griff zu bekommen ist. Wenn in zehn Jahren die meisten Neuenhagener Bürger mit dem Rad unterwegs sind, könnte ich ja dem zustimmen. Es ist genau wie mit der Trainierbahn, Herr Kindervater! Der politische Wille, die Bahn für Neuenhagen zu erwerben war nie vorhanden, nicht nach 1999, auch nicht als die Spendenaktion des NABU begann und schon gar nicht mehr, als die über 5000 Unterschriften gesammelt wurden. Genauso verhält es sich mit der Eisenbahnstraße.

 

Also nur ein Supermarkt kann das künftige moderne Zentrum Neuenhagens bestimmen und nur eine asphaltierte Thälmannstraße kann zu einem modernen Neuenhagen passen. Dass dort und in den Nebenstraßen überall verkehrsberuhigtes Fahren (Tempo 30) vorgeschrieben ist, bei dem man ganz normal über das Kopfsteinpflaster fahren kann, spielt gar keine Rolle. Das Gieren nach einer modernen "Stadt" Neuenhagen ist überhaupt nicht neu. Denken Sie mal an die gedachte "Rote Linie", die zum Rathaus führen sollte, und wo bei der öffentlichen Auslegung der Bürger nur die Wahl hatte zwischen Pest und Cholera. So läuft das In Neuenhagen.

 

Dieser Ort, in dem ich seit 1991 lebe, ist meine Heimat und mir sehr ans Herz gewachsen. Vor 15 Jahren konnte die damals gegründete Bürgerinitiative GreenPark eine Katastrophe namens HorsePark verhindern - gegen die Meinung fast aller Parteien, wie auch der PDS und der MOZ. Heute hat die Katastrophe einen anderen Namen und kommt unauffälliger daher - Modernisierung und Verdichtung. Neuenhagens. 1500 neue Einwohner am Gruscheweg müssen sein, wahrscheinlich, damit Neuenhagen weiter existieren kann. Egal, wie der künftige innerörtliche Verkehr funktionieren wird.

 

Stichwort Verkehr. Hätte zum Beispiel Altlandsberg einen Bahnanschluss, der ja mal existierte, würden ganz sicher sehr viel weniger Pendler täglich mit ihrem Fahrzeug durch Neuenhagen fahren bzw. die Ausfallstraßen von und nach Berlin belasten.

 

Nochmal zur Eisenbahnstraße: Es gab vor Jahren einen tollen Wettbewerb mit Entwürfen von Studenten, dann noch mal einen neuen Vorstoß, der vier verschiedene Vorschläge enthielt. Immer haben sich viele Bürger dafür interessiert, und dann kommt plötzlich eine ganz neue Variante (mit oder ohne Bürgerbeteiligung) eben ohne das letzte Eisenbahnerhaus, weil ja auf einmal die Bausubstanz das nicht hergibt. Für die zwei anderen Häuser gab es die tolle Begründung, dass dort "illegal" gewohnt wurde. Billigere Argumente dafür, etwas verschwinden zu lassen, was im Wege ist, gab es wohl nicht?

 

So wie wir und viele andere Bürger Neuenhagens zum Thema Trainierbahn abgebürstet wurden, geschieht jetzt auch das Gleiche mit der Eisenbahnstraße und dem geplanten Zuzug von Neubürgern in Größenordnungen.

 

Man möchte fast den Glauben daran verlieren, die gewählten Gemeindevertreter vertreten einzig die Interessen der Bürger Neuenhagens. Auch wenn Sie meinen, dass die ältere Generation unter den Einwohnern im Verhältnis zu den Neubürgern abnimmt, sie sind genauso Bürger von Neuenhagen und möchten einen lebens- und liebenswerten Ort haben.

 

Mit freundlichen Grüßen
Familie Reinsberg


Sehr geehrte Familie Reinsberg,

 

auch wir haben ja stets den Diskurs gut gepflegt und ich antworte Ihnen auch gerne auf diesen Kommentar.

 

Zunächst möchte ich aber klarstellen, dass ich zum Aufpfropfen auf Feindbilder ziemlich ungeeignet bin. Ich möchte sehr darum bitten, als Individuum wahrgenommen und nicht herhalten zu müssen, mit Erfahrungen aus der Vergangenheit gleichgesetzt zu werden. Vor allem ist es vollkommen unprofessionell, beim ersten Anzeichen von Meinungsverschiedenheiten, mich mit Ihren größten Feindbildern gleichzusetzen.

 

Leider hat das in Ihrem Kommentar dazu geführt, dass Sie gar nicht (!) auf den Artikel von mir eingegangen sind und auch in keinster Weise (!) meine Motivation für mein Agieren nachvollziehen konnten. Sie liegen einfach komplett falsch.

 

Insofern unterstreiche ich noch einmal meine Beweggründe, mit Bezug auf Ihren Kommentar:

1. Ich stehe zu Beschlüssen, die ich mit ausgehandelt habe und für die ich auch gestimmt habe. Natürlich kann man damit auch mal komplett falsch liegen, aber dann sollte man inhaltlich diskutieren und sich nicht darin üben, einem irrationale Motive („bloß nicht“) zu unterstellen.

 

2. Zu keinem Zeitpunkt habe ich behauptet, die Bausubstanzen der Häuser in der Eisenbahnstraße wären in keinem guten Zustand. Die Jury, mehrheitlich bestehend aus Vertretern von Bürgern, empfahl den Abriss die flacheren Häuser. Zuvor hatte ich mit anderen versucht, dafür zu werben, alle zu erhalten, was uns nicht glückte. Ich habe mit 14 anderen Gemeindevertretern dann in unzähligen Runden diskutiert, wie wir dem verbleibenden Gebäude einen sinnvollen Nutzen zuführen können. Dabei gab es Überlegungen für: a) Jugendclub; b) Café; c) Heimatmuseum; d) Geschäftshaus. Alle Ideen haben wir mit vielen möglichen Partnern besprochen – ohne Erfolg. Gleichzeitig hatten wir parallel Probleme bei den Vorhaben mit dem Verkehr und der Parksituation. Als sich partout kein Nutzen finden konnte, sich aber die Probleme auf der anderen Seite lösen ließen, veränderte ich und meine Fraktion ihre Position. Bis zu dem Zeitpunkt haben wir über viele Jahre alles versucht. 

 

3. Was die Kreuzung Fichte/Haupt/Eisenbahn betrifft: Hier geht es nicht um den politischen Willen und auch nicht Ihr Gefühl. Hier geht es um Fakten von Seiten der Verkehrsbehörden. Da Sie zu keiner Sitzung dabei waren, wo das Thema Verkehr besprochen wurde, kurz zusammengefasst: Wir haben Lösungen, die für alle Seiten akzeptabel sind und mit diesen werden wir weitermachen.

 

4. Ich habe jahrelang dagegen argumentiert, aus Neuenhagen ein Superzentrum zu machen. Mir war wichtig, dass die Polyzentralität erhalten bleibt. Das ist mittlerweile Konsens, wir diskutieren über die Stärkung aller Standorte: Carl-Schmäcke – Bahnhof – Schäferplatz. Darüber hinaus habe ich lange für alternative Standorte für eine Drogerie gestritten. Dazu steht alles im Artikel über diesem Kommentar. Ich empfehle Ihnen, diesen auch einmal zu lesen.

 

5. Zum Gruscheweg: Der Brandenburger Speckgürtel wird bis 2040 etwa ein Drittel mehr Einwohner haben, als jetzt. Neuenhagen hat dabei zwei Optionen: Entweder entstehen neue Grundstücke, die wir klar unter einem Bebauungsplan mit Mindestgrößen, etc. versehen können, oder das Zerstückeln im Ortsinneren nimmt erst richtig Fahrt auf und wir bekommen mehr und mehr Betonwüsten. Auch wenn das vielleicht zu DDR-Zeiten anders war: Wir als Exekutive der BRD haben keine andere Handlungsoption. Nach vielen Gutachten und Diskussionen (bei denen Sie oft auch nicht anwesend waren) konnten Großteile der Bedenken ausgeräumt werden, inklusive beim Verkehr.

 

6. Woher kommt nun dieser „neue Entwurf“ in der Eisenbahnstraße? Ganz einfach. Der Entwurf der Jury fand keinen Investor und mein Vorschlag, es über die KENeu zu bauen, fand keine Unterstützung außerhalb der LINKEN. Dazu mal was ganz Grundsätzliches: Als Demokrat bin ich nicht gewählt, mich auf der Verliererbank auszuruhen und mit dem Finger zu wedeln, wo ich alles etwas besser wusste. Demokratie beginnt überhaupt erst mit dem Diskurs. Wenn ich also keine Mehrheit habe, geht es darum, Kompromisse zu suchen. Wenn man auf der einen Seite keinen Investor hat und auf der anderen einen Entwurf (Frühjahr 2015), der nur Probleme verursacht und mir grundsätzlich missfällt, dann empfinde ich es als meine Pflicht, Alternativen zu entwickeln und dabei keine Scheuklappen anzulegen. Am Ende gab es 3 Gegenstimmen gegen den AN 001/2016, welcher sowohl den Abriss als auch den Neubau umfasste. Wie viel deutlicher soll es noch werden, dass es sich um einen Kompromiss (!) handelt, der breit von der GVT getragen wird. Und ja, diesen verteidige ich jetzt auch.

 

7. Die einzigen Gründe, warum ich jetzt für den Abriss gestimmt habe, sind die aus dem Artikel oben und weil wir eben den Beschluss haben, zu dem ich stehe. Ob es nun zu illegalem Wohnen kam, ist mir relativ egal. Ich habe alles mir in meiner Macht stehende getan, um die Häuser zu erhalten und mir ist es nicht geglückt. Dann haben wir einen Kompromiss gesucht, gefunden und nach dem handeln wir jetzt auch. Der Abriss wurde im Januar beschlossen und jetzt etwas vorgezogen. Alles andere empfinde ich als Versuch, die alte Debatte neu aufzurollen, leider ohne neue Argumente.

 

8. „Zu den „Interessen der Bürger“: Diese Rhetorik scheint ja mittlerweile zum guten Ton zu gehören. Bei jedem Bürgerbrief höre ich zum Schluss immer: Entweder Sie sind meiner Meinung, oder Sie sind gegen die Bürger. Nein, liebe Familie Reinsberg, Sie sind nicht (!) die Bürger. Und ich bin es auch nicht. Aber, nur falls das vergessen wurde: Ich bin auch ein Bürger. Und ich habe eine Meinung. Um dieser Gewicht zu verleihen, habe ich mir ein Vertrauen in einer Partei erarbeitet, wurde deren Spitzenkandidat und von über 1000 Bürgern direkt gewählt. Mit diesem Mandat verbinde ich einen enormen Anspruch und habe jahrelang u.a. mein Studium darunter leiden lassen, viel Energie in das Ehrenamt zu stecken. Es ist kein Problem, nicht all die Fakten und Diskussionen zu kennen, mit denen ich mich tagtäglich beschäftige. Aber ohne diese zu urteilen, kann nicht gutgehen.

 

9. Zur Politik: Wie ich mehrfach ausgeführt habe, ist die Politik nicht die einzige Entscheidungsinstanz in unserem Ort. Der Verkehr ist hausgemacht, das Einkaufsverhalten und das Wohnverhalten auch. Wer glaubt, Politik kann die Entwicklung des Ortes umkehren oder stoppen, macht sich was vor. Wir können hie und da Dinge unterstützen oder bei Fehlentwicklungen ausbessern. Aber der Ort ist lebendig und wird gelebt, ganz ohne Beschlüsse vom Rathaus. Politik ist aber auch kein Umerziehungslager. Hier weiß niemand, was besser für alle ist. Dass, was Sie als liebens- und lebenswert und Gieren nach einer Stadt bezeichnen, ist schlichtweg das, was die Bürger aus Neuenhagen machen. In der Art wie sie wählen, aber vor allem in der Art, wie sie leben. Wir haben bspw. als Linksaktiv eine Veranstaltung zum Fahrrad gemacht (es kamen 3 Leute) und einen ganzseitigen Artikel in unserer Zeitung. Wir führen den gesellschaftlichen Diskurs. Aber wir akzeptieren auch, wenn es in einer Demokratie mehrere Meinungen gibt.

 

 

Ich glaube, es täte gut daran, wenn Sie einsehen würden, dass die Interessen in der Gemeinde so vielseitig sind, wie wir Einwohner haben. Das bedeutet automatisch, dass man nicht immer mit seinen Vorstellungen gewinnen kann. Aber wir wollen in Neuenhagen den Weg der Kompromisse gehen und nicht den von Verlierern und Gewinnern. Für diesen Weg werde ich immer alles geben. Demokratie heißt nicht, sich mit möglichst vielen gegen "die anderen" zu verschwören, sondern aufeinander zuzugehen, zuzuhören und das Gemeinsame zu erforschen.

 

Oder anders gefragt: Was hätten Sie davon, wenn ich mit Nein gestimmt hätte, aber trotzdem alles so beschlossen wurde, wie es nun der Fall ist?

Sven Kindervater


Alle Ausgaben unserer kleinen Zeitungen "Ansichten - Aussichten", "Bürgerzeitung" und "Im Gespräch" finden Sie hier

Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf