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Sven Kindervater

Neustart bei der Trainierbahn

Ob beim BER, Stuttgart 21 oder der Bahn-Privatisierung – bei vielen Projekten wünscht man sich, dass die Politik einfach mal auf Neustart drückt. Genau das sollten wir jetzt bei der Trainierbahn tun. Ansonsten droht ihr der Ausverkauf.

Die Trainierbahn Neuenhagen bewegt uns schon seit vielen, vielen Jahren. Um die Jahrtausendwende drohte eine Pferde-Freizeitpark, der durch Bürgerproteste abgewandt werden konnte. Bereits Ende der 1980er konnte die DDR-Regierung durch die junge Umweltbewegung von großen Umwidmungs-Plänen abgebracht werden. Und auch heute wird wieder gekämpft.

Als vor einigen Jahren die Rennbahn GmbH der Galopprennbahn Hoppegarten rund um deren Eigentümer und Londoner Broker, Gerhard Schöningh, die Trainierbahn Neuenhagen kaufte, verkündete er große Veränderungen. Eine Fläche primär für den Profi-Rennsport, rigorose Einschränkung der öffentlichen Nutzung und massive Abholzungen wurden bekanntgegeben.

Wirksame Muskelspiele

Die Gemeinde Neuenhagen reagierte umgehend. Das Gelände erhielt eine dreijährige Veränderungssperre. In der Zeit sollte ein Grünordnungsplan erstellt werden, der weite Teile der Umwelt unter Schutz stellt. Parallel sollte es Verhandlungen über Öffnungszeiten im Gegenzug zu einem Bebauungsplan für neue Stallungen geben. Das Rathaus zeigte seine Muskeln.

Es schien zu wirken. Es gab Verhandlungen: Mit dem Bürgermeister, mit dem Fachbereich, mit den Gemeindevertretern. Sogar Vertreter der Bürgerbewegung wurden persönlich von Herrn Schöningh in den heiligen Hallen der Galopprennbahn empfangen. Von Bebauungsplänen für Stallanlagen an der Zoche wurde Abstand genommen. Die öffentliche Nutzung sollte weitestgehend nun doch ermöglicht werden, die Außenbahn umgebaut und dauerhaft begehbar, das restliche Areal täglich ab 14 Uhr, sonntags uneingeschränkt. Auch die Freizeit-Reiter machten sich Hoffnungen.

Ein fauler Kompromiss

In der Zwischenzeit sammelten sich auch 5000 Unterschriften mit einer klaren Forderung nach Erhalt der Umwelt und Offenhaltung des Geländes. Bis heute der absolute Rekord für jegliche Umfragen in der Region. Von Seiten der Gemeindevertretung wurde das fortan auch immer konkret in Politik umgesetzt: Keine Abholzung des Wäldchens im Innenovals, erhalt der Trainierbahnen und keinerlei Bebauung – das waren die entscheidenden Kriterien. Für neue Stallungen zwischen dem „Alten Gutshof“ und der Trainierbahn gab man grundsätzlich grünes Licht.

Dieser Frieden mündete in ein Vertrauen in das Rathaus, die Details nun festzuzurren und rechtzeitig vor dem Ablauf der Veränderungssperre – Februar 2018 – alles zum Beschluss vorzulegen. Doch was die Verwaltung im Oktober 2017 als Kompromiss zwischen Eigentümer und Gemeinde vorlegte, widersprach in einem Ansatz grundsätzlich allen Vorstellungen: Das Innenoval sollte nun lediglich „Grünfläche Reitsport“ sein. Dieser Fachterminus bedeutet nichts anderes, als dass Abholzung und Bebauung möglich werden.

Erneute Zuspitzung

Die Gemeindevertretung korrigierte diesen Schritt, beschloss die Bebauung auszuschließen und die Fläche wie ursprünglich vorzusehen als „Waldfläche“ festzusetzen. Sehr zum Entsetzen des Rathauses, welches sich vollkommen überrascht gab und nun sämtliche Beschlüsse gefährdet sah. Dass es ausgerechnet an dieser Stelle zu Schnappatmungen kam, ließ tief blicken.

Aber auch die Rennbahn GmbH nahm dies zum Anlass, die Situation weiter zuzuspitzen. In einer Stellungnahme vom Dezemberspricht sie erneut vom Ziel, „die Anlage als Trainingsstätte für Rennpferde in erster Linie zu nutzen.“ Alle Beschlüsse bezüglich des Innenovals und dem Bebauungsverbot wurden als „schwerwiegende Eingriffe in das Nutzungs- und Verfügungsrecht“ gewertet. „Die Waldfläche im Innenoval stellt ein Sichthindernis für den Trainingsbetrieb dar und konterkariert die Interessen des Eigentümers […] Bestände sollen entfernt werden“, heißt es seitens der Rennbahn GmbH. Selbst so ein Detail wie der Verzicht auf Dünger und Pflanzenschutzmittel wurden scharf kritisiert.

Der Landschaftsschutz in Gefahr

Die Trainierbahn steht derzeit unter Landschaftsschutz. Dieser Status kann seitens des Landkreises jederzeit aufgehoben werden. Wenn das eintrifft und die Gemeinde keinen Grünordnungsplan vorweisen kann, herrscht nur noch der allgemeine Flächennutzungsplan – und der schließt eine Bebauung nicht aus. Wohl, weil sich 2003 bei der Erstellung niemand vorstellen konnte, was heute mehr und mehr Realität zu werden scheint.

Nun kann man sagen, dass die Rennbahn GmbH die einstige „beste Trainingsanlage Europas“ doch sicher nicht zerstückeln oder zweckentfremden wollen würde. Aber was sagt sie selbst? Ihr gehört die Galopprennbahn, die Trainierbahn Bollensdorf und nun auch Neuenhagen. In Bollensdorf ist die massiv eingeschränkte Nutzung längst Alltag, Abholzungen hat es in Hülle und Fülle gegeben und viele einmalige Naturorte sind für immer zerstört. Aber die Wahrheit liegt in den Plänen zur Galopprennbahn.

Es geht nur ums Geld

Dort hat Herr Schöningh angekündigt, soll es zu Veränderungen kommen. Der Pferdesport würde sich nicht selbst finanzieren können. Alternative Einnahmequellen (wie bspw. Festivals und Hotels) sollen gesucht werden. Für Neuenhagen stechen dabei vor allem zwei Details ins Auge: Es ist von altersgerechtem Wohnen zu lesen – und vom kleinteiligen Verkauf nicht benötigter Flächen. Der Clou: Der Landschaftsschutz solle aufgehoben werden. Die Anträge sind bereits gestellt.

So verpuffen alle Rufe von Vertrauen und dem Suchen nach Kompromissen. Neben allem Unken über welche Form von Pferdesport wir wohl nun zukünftig in Neuenhagen erleben werden und welche Auswirkungen das haben darf, soll und muss – es geht doch offenkundig um etwas ganz anderes. Das zeigt allein, an welcher Stelle der große Aufschrei zu erleben ist. Bei einer kleinteiligen Zerstückelung und Verkauf für neue Wohnhäuser gibt es dann keine Handhabe der Gemeinde mehr. Es wird dann gebaut.

Ein lautes Schweigen

Aber die Nettigkeiten aus der Stellungnahme sind selbst hier noch nicht zu Ende. Ganz zum Ende knöpft sich die Rennbahn GmbH die Gemeindeverwaltung vor. Man solle doch endlich mal die Preise benennen, was die Nutzung der Außenbahn angeht und zusätzlich eine Kostenübernahmeerklärung für den Neubau der Sandbahn auf der jetzigen dritten Grasbahn. Denn die dauerhafte Nutzung der Bürger, welche ursprünglich als großer Kompromiss angekündigt wurde und die mehrere Kilometer Umbaumaßnahmen bedeutet, soll vom Steuerzahler bezahlt werden und das doppelt.

Auf den Deal mit der Begehbarkeit der äußersten Bahn ließ sich die Rennbahn GmbH wohl nur aus einem Grund ein: Damit ließe sich schlichtweg Geld machen. Alternative Einnahmequellen für das Kerngeschäft. Die Rennbahn hatte nie vor, ernsthaft zu verhandeln. Sie sieht sich im Recht und kennt ihre Mittel und Wege. Mit schönen Worten wurde es versucht, nun soll der harte Ton bestimmen – oder lautes Schweigen.

Auf einer Sitzung des Umweltausschusses im Januar war ein Vertreter der Rennbahn GmbH anwesend. Auf den mehrfachen Wunsch, sich zu den Zielen zu äußern gab es keinerlei Reaktion. Man lässt die Gemeinde ganz bewusst im Unklaren. Man spielt auf Zeit – und darauf, dass sich die Gemeinde gegenseitig mit Vorwürfen lahmlegt.

Schluss jetzt!

Schlimm genug, dass sich aufgrund der Festivalisierung der Galopprennbahn, der Profitgier eines einzelnen Mannes, Nachbarn in der ganzen Region streiten. Nun soll dies auch auf die Gemeindevertretung übertragen werden. Herr Schöningh widmet die Galopprennbahn um, zerstört das Biotop der Trainierbahn Bollensdorf und knöpft sich mit seinen geübten Methoden nun die Trainierbahn Neuenhagen vor. Damit muss Schluss sein! Herr Schöningh gehört nicht in unsere Region, seine Ziele haben mit denen der Region nichts gemein. Seine Methoden sind abzulehnen.

Die Verwaltung hat nun angekündigt, den Grünordnungsplan nicht vor dem Sommer bearbeitet zu bekommen. Im Denkmalschutz fallen Mitarbeiter lange aus, die Verhandlungen mit der Rennbahn GmbH stocken, die Rechtslage wird immer unklarer. Die Mitglieder des Umweltausschusses haben nun entschieden, hier gänzlich neue Wege zu gehen. Ein Neustart muss her. Wir sollten diesen nutzen und zusammenstehen.

Vorschlag zum Neustart

Der Vorschlag seitens der Gemeindevertreter ist, aus den einzelnen Plänen zum Alter Gutshof, dem Neubau von Stallungen und der Trainierbahn einen einzigen, großen Bebauungsplan zu machen. Ein anwesende Planer signalisierte bereits, dass dies möglich ist. Was frickelig klingt, ist doch sehr einfach: Ein Grünordnungsplan ist nett, kann im Zweifel beklagt werden und verpuffen – ein Bebauungsplan hat jedweden notwendigen Wumms. Er ist das mächtigste Planungsinstrument und der Landkreis oder andere Entscheidungsträger sind außen vor. Die Gemeinde hätte alles in der Hand.

In diesem Bebauungsplan soll festgelegt werden, dass sich am derzeitigen Zustand der Trainierbahn nichts ändert. Würden wir das nur auf die Trainierbahn anwenden, würden wir wegen einer „Verhinderungsplanung“ verklagt – ein Bebauungsplan muss tatsächlich auch was bauen wollen. Mit dem gemeinsamen Plan aus Alten Gutshof und den neuen Stallungen erfüllen wir diese Bedingung.

Radikaler Testlauf

Es ist aber auch ein Lackmus-Test für die Rennbahn GmbH. Wenn es ihr wirklich um den Rennsport geht, kann sie gegen die Pläne nichts haben. Alles andere würde tief blicken lassen. Herr Schöningh ist ein Radikaler. Er will der Galopprennbahn einen radikalen Strukturwandel aufbrummen, er will der Region einen radikalen Charakterwandel aufpfropfen. Und er nimmt billigend in Kauf, dass sich die Menschen über Vor- und Nachteile im Streit zerlegen.

Auf diese radikalen Schritte braucht es entsprechende Gegenmaßnahmen. Schöningh ist nicht unsere Zukunft. Die Trainierbahn gehört in das Eigentum der Gemeinde überführt und es wird Zeit, ihm das immer mehr bewusst zu machen. Er muss begreifen, dass es in seinem Interesse ist, sich viel Stress und Protest zu ersparen und schlichtweg die Finger von unserem grünen Herzen zu lassen.

Sind wir als Neuenhagen wehrhaft? Sind 5000 Unterschriften es uns wert, zusammenzustehen und zu kämpfen? Schaffen wir es, die Interessen des Kapitals abzuwenden? Ich glaube an Neuenhagen, ich glaube an uns. Wir können das Schaffen. Wenn wir jetzt den Neustart auslösen und zusammenstehen.


Dieser Artikel erschien ursprünglich auf der Seite des Team Kindervaters.


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Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf