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Sven Kindervater

KITAs: Qualität leidet nicht unter geringen Gebühren!

Seit einigen Wochen wird in der Gemeinde über die Initiative von SPD und LINKE diskutiert, die KITA-Gebühren im letzten Jahr zu halbieren. Dabei suchen viele auch die intensive, inhaltliche Diskussion. Heute veröffentlichen wir hier stellvertretend dazu einen anonymisierten Mailwechsel mit dem Fraktionsvorsitzenden der LINKEN, Sven Kindervater.

Seit einigen Wochen wird in der Gemeinde über die Initiative von SPD und LINKE diskutiert, die KITA-Gebühren im letzten Jahr zu halbieren. Dabei suchen viele auch die intensive, inhaltliche Diskussion. Heute veröffentlichen wir hier stellvertretend dazu einen anonymisierten Mailwechsel mit dem Fraktionsvorsitzenden der LINKEN, Sven Kindervater.

 

Mehr zur Kampagne finden Sie unter: https://www.neuenhagen-diskutiert.de 

 

Sehr geehrter Herr Kindervater,

 

vor kurzem erhielt ich einen Flyer von Ihnen zum Thema Kita-Gebühren. Auf der Internetseite „Neuenhagen diskutiert“ laden Sie zur Diskussion ein. Traurigerweise stellte ich nun heute fest, dass die Seite gar nicht der Diskussion gilt, sondern ausschließlich der Unterschriftensammlung.

 

Trotzdem möchte ich Ihnen als Mutter von drei Kindern kurz meine Meinung mitteilen. Der Betreuungsschlüssel in den Kitas hingt dem in anderen Bundesländern deutlich hinter her. Es gibt hier, sie können das im Internet recherchieren, ein großes Ost-West-Gefälle. Der Hort der Kita am Schäferplatz (in den meine älteste Tochter geht) ist nicht unbedingt in einem baulich guten Zustand, die Toiletten stinken und sind gleichzeitig Durchgangszimmer für die Kinder. Viele Anschaffungen werden über den Förderverein getätigt, weil kein Geld da ist. Drei Erzieher betreuen hier ca. 70 Kinder der zweiten Klasse. Ehrlich gesagt, wäre es schöner, wenn das Geld, dass Neuenhagen bei Reduzierung der Gebühren aufbringen muss, in die Verbesserung der bestehenden Angebote (mehr Erzieher, bessere Räumlichkeiten, größere Gärten) steckt. Gerade gut verdienende Eltern möchten qualitativ hochwertige Angebote für ihre Kinder und keine billigen. Sämtliche Privatschulen (alle gebührenpflichtig) erfreuen sich größter Beliebtheit. Die Wartelisten sind lang und auf wenige Plätze pro Jahrgang (6) kommen  häufige zahlreiche Bewerbungen (80). Bildungspolitisch macht es aus meiner Sicht keinen Sinn, finanziell gut gestellte Eltern (und das dürfte auf die Mehrheit der Neuenhagener Familien zutreffen) zu entlasten, damit Sie die gesparten 500 € dann für das dritte Auto vor der Haustür ausgeben können, solange die Qualität der vorhandenen Einrichtungen nicht hervorragend ist.

 

Auch das Argument des Standortvorteils kann ich nicht nachvollziehen, denn die Nachfrage der Familien aus Berlin nach Wohnraum in Neuenhagen ist sehr hoch (man beachte die steigenden Immobilienpreise) und das trotz der Kita-Gebühren. Keine Familie, die von Berlin nach Neuenhagen zieht, denkt über Kita-Gebühren nach. Mir ist jedenfalls keine bekannt. Im Gegenteil, die meisten Familien kommen aus privaten Kitas in Berlin, in denen sie ebenfalls Gebühren zahlen mussten, weil ihnen die reduzierte Qualität der kostenfreien Berliner Kitas nicht ausreichend war.

 

Bildungspolitisch bedeutet ein kostenfreie Kita aus meiner Sicht, keine Qualitätsverbesserung, sondern eine Verschlechterung, was zur Folge hat, dass Kinder bildungsnaher Familien ihre Kinder in private Einrichtungen schicken (und dafür dann auch gern und viel zahlen!)

 

Im Übrigen ist mir in Neuenhagen keine Familie bekannt, die Ihr Kind nicht in die Kita schickt, um Geld zu sparen.

 

Sicher werden Sie mit Ihrer Forderung viele Wähler finden, aber Sinn macht das meines Erachtens keinen (siehe die katastrophale Lage in den Berliner Kitas).

 

Mit freundlichen Grüßen
F.

________________________

Sehr geehrte Frau F.,

 

ich danke Ihnen für die Zuschrift und möchte gerne auf einige Aussagen eingehen.

 

Zunächst einmal möchte ich mein Verständnis für die Sorge aussprechen, dass mit einer Absenkung der Gebühren auch die Qualität leiden könnte. SPD und LINKE haben das auch untereinander diskutiert, bevor sie mit dem Vorschlag an die Gemeindevertretung herangetreten sind. Natürlich wollen wir keinerlei Abstriche was die Qualität angeht.

 

Natürlich wollen auch wir, dass sich die Bedingungen in den KITAs stätig weiterentwickeln. Von daher danke ich zunächst einmal für die Hinweise. Ich werde diese anonymisiert auch an den Fachbereich weitergeben.

 

Als Kommune sind wir vom Land verpflichtet, Gebühren zu erheben. Wie und in welcher Höhe wir dies gestalten können wir allerdings selber festlegen. Mit den Gebühren sollen die laufenden Kosten wieder eingetrieben werden. Dies geschieht allerdings nur zu einem kleineren Teil. Der größte Teil der Ausgaben finanziert sich aus Zuschüssen vom Land und aus Steuergeldern. Mit Verbesserungen haben Gebühren somit erst einmal gar nichts zu tun.

 

Steuerlich haben wir in den vergangenen Jahren stets einen enormen Steuer-Überschuss erlebt. Auch wenn es in den kommenden Jahren etwas weniger positiv aussieht, können wir uns diese Senkung also problemlos leisten. Es ist natürlich auch die Frage, ob wir es wollen. Im Haushalt stehen immer die Fragen der Prioritäten im Raum und zu denen gehört auch die Qualität in unseren KITAs.

 

Verbesserungen, ob baulich oder pädagogisch, sind ein daher ein eigenes Thema. Nach bisherigen Planungen sind keinerlei Verbesserungen, wie etwa in den von Ihnen angesprochen Bereichen, geplant oder aus dem politischen Raum gefordert worden. Wenn man Ihnen also einredet, mit der Senkung könnte man die Qualität nicht verbessern, ist man nicht ehrlich mit Ihnen. Das kann man immer, wenn man haushaltspolitisch die Priorität dahin verschiebt. Würde unser Antrag also abgelehnt, wäre es mir eine helle Freude, die 150.000€ würden in die Qualitätsverbesserung gesteckt – aber genau das sehe ich gar nicht.

 

Dazu kommt natürlich, dass grundsätzliche Entscheidungen wie im Falle des Betreuungs-Schlüssels das Land hier die Vorgaben macht. Hier gibt es noch viel zu verbessern und wir werden als Ortsgruppen der Regierungsparteien auch den Druck dahin weiter aufrechterhalten. Dennoch möchte ich aber mal die Frage in den Raum stellen, worum es denn tatsächlich geht. Die Gruppengröße sagt ja nur indirekt etwas über die Qualität. Zu kleine Gruppen fördern nicht die sozialen Kompetenzen. Bei der Debatte um den Schlüssel geht es doch um etwas Anderes: die individuelle und bestmögliche Betreuung. Darüber würde ich viel lieber reden, als über Zahlen.

 

In Ihrem Schreiben sind auch allerlei Beobachtungen, die aus meiner Sicht auf Ihren Erfahrungen beruhen. Ich habe allerdings ganz andere, sodass wir ohne konkrete Faktenlage unendlich streiten könnten. Sie behaupten, das zusätzliche Geld der Eltern würde nicht bei den Kindern ankommen, ich gehe vom genauen Gegenteil aus. Sie behaupten, die meisten Zugezogenen kennen Gebühren bereits, unsere Gespräche auf der Straße zeichnen genau das gegensätzliche Bild. Sie sprechen davon, die zu entlasten, die gar nicht entlastet werden brauchen, ich kann das aus den Zahlen der Durchschnittseinkommen aber gar nicht erkennen. So kommen wir aber nicht weiter.

 

Fakt bleibt: Gebühren und Qualität haben nichts miteinander zu tun. Es ist schon sehr traurig, dass viele Eltern sich das mittlerweile haben einreden lassen. Berlin ist nach dem Bankenskandal der CDU bis an die Grenze, aus meiner Sicht über die Grenze hinaus, zusammengespart worden. Ein RotRotGrünes-Berlin hat ja schon angedeutet, dass damit nun Schluss sein soll. Der Zustand in Berlins Bildungseinrichtungen allgemein ist also Ausdruck einer vollkommen anderen finanziellen Lage und einer verfehlten Prioritätensetzung seit fünf Jahren von SchwarzRot. Auch da wurde mit der Behauptungen, es läge an den fehlenden Gebühren, nur versucht, von der eigentlichen Debatte abzulenken. Dabei zeigen wir bei unseren Schulen seit Jahren, dass es vollkommen ohne Gebühr ganz anderes gehen kann.

 

Es gibt keine Schulgebühren und trotzdem bauen wir gerade die Grundschule in Bollensdorf massiv aus und der Kreis verbessert deutlich die Lernbedingungen am Einstein-Gymnasium. Die Goetheschule soll sehr kostenintensiv saniert werden und aus der Gemeindevertretung wird dazu noch ein Anbau gefordert. Für die Fallada-Grundschule wird dieser Tage ein Neubau diskutiert und damit einhergehend ein Ausbau des Einstein-Gymnasiums ermöglicht. Und die Verwaltung schlägt in ihrer Schulkonzeption eine neue Grundschule mit Oberschule im Gruscheweg vor.

 

Wir wollen eine Top-Bildung für alle und ohne Gebühr. Wir haben in all den Jahren dafür gekämpft, dass wir an dieses Ziel möglichst nah herankommen. Jahrelang haben wir auf eine soziale Staffelung der Gebühren gedrängt. Auch bei den letztmaligen Erhöhungen haben wir solange gestritten, bis es vor allem die traf, die finanziell bessergestellt sind. Auf Antrag von SPD und LINKE werden die Gebühren für Sozialleistungen-Empfangende seit dem Sommer erlassen. Darüber hinaus wollen wir nach vielen guten Jahren nun allen wieder etwas zurückgeben und zwar für das sogenannte Vorschuljahr.

 

Es mag eventuell einige wenige Fälle geben, wo vielleicht Geld an jemanden zurückfließt, der es nicht unbedingt zum Überleben braucht. Aber wir sind es auch ein stückweit leid, dass man es in Deutschland lieber allen schlechtgehen lässt, weil vielleicht 5% etwas ausnutzen könnten – und somit 95% um eine tatsächliche Verbesserung bringt.

 

KITAs über Gebühren zu finanzieren ist der vollkommen falsche Ansatz. Wie auch bei den Schulen muss die Qualität unentwegt steigen, auch ohne dass Eltern dafür speziell zur Kasse gebeten werden. Wir wollen in Neuenhagen das leisten, was wir uns leisten können. Das entspricht derzeit die Halbierung im letzten Jahr, dem sogenannten Vorschuljahr. Zu der Zeit, in der massive Ausgaben erneut auf die Eltern zukommen. Dafür UND für die Verbesserung der Qualität werden wir uns weiterhin stark machen. Dazu wollen wir auch weiterhin im Diskurs bleiben und ich freue mich über jeden Hinweis, wo etwas in den KITAs in Neuenhagen nicht gut läuft.

 

Mit freundlichem Gruß
Sven Kindervater

 

PS: Dieses und auch nächstes Jahr gibt es gar keine Wahlen in Neuenhagen. Würde es uns darum gehen, wäre jetzt gar kein guter Zeitpunkt für solch einen Antrag. Es ist allerdings auch nicht fair, wenn Politik MAL nicht nur Dinge verschlechtert, ihr sofort zu unterstellen, wir wollten damit Wähler locken, so, als wäre das etwas Anrüchiges, etwas Verführendes oder Verlogenes. SPD und LINKE stehen für ein soziales Neuenhagen. Dafür sind wir angetreten, dafür sind wir gewählt worden und genau das setzen wir auch jetzt um. Weil wir davon überzeugt sind. Wenn Sie das nicht wollen, gibt es genügend andere Parteien.


Alle Ausgaben unserer kleinen Zeitungen "Ansichten - Aussichten", "Bürgerzeitung" und "Im Gespräch" finden Sie hier

Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf