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Sven Kindervater

Grüne Sinnfragen in Neuenhagen

Dr. Anton Hofreiter, Vorsitzender der Bundestagsfraktion der GRÜNEN, besuchte am vergangenen Wochenende Neuenhagen. Um Landwirtschaft sollte es gehen, zunächst im Bürgerhaus Neuenhagen, anschließend im entstehenden Naturschutzcamp Neuenhagen.

Dr. Anton Hofreiter, Vorsitzender der Bundestagsfraktion der GRÜNEN, besuchte am vergangenen Wochenende Neuenhagen. Um Landwirtschaft sollte es gehen, zunächst im Bürgerhaus Neuenhagen, anschließend im entstehenden Naturschutzcamp Neuenhagen.

 

Es ist Wahlkampf auch in der Mark und da reist man schon mal quer durch die Republik. Im Neuenhagener Bürgerhaus war Toni – wir waren im Anschluss recht schnell beim Du – zunächst etwas kühl. Er berichtete über seine Erfahrungen des Raubbaus in Lateinamerika, las ein paar Zeilen aus seinem Buch über Deutschland vor und stellte sich anschließend den Fragen – in der Form hat er das sicher viele dutzende Male schon hinter sich und bestimmt auch vor sich.

 

Ein bisschen wirkte er, wie einst Herbert Grönemeyer in der Wuhlheide. Damals hatte er erst gar keine Lust, spulte sein Programm runter, sichtlich erschöpft von der langen Tour – nur um dann bei den Zugaben aufzuweichen. Toni erging es ähnlich.

 

So richtig warm wurde er erst, als es bei den Fragen auch mal zu anderen Themen kam. Sehr Aufmerksam wurden Saal und Gast, als es um die energieautarke Kommune ging. Neben einigen privatem Engagement könnte Neuenhagen es tatsächlich auf mittlere Sicht schaffen, den Strom selbst zu erzeugen und auf fremden Strom gänzlich zu verzichten.

 

Ich frage mich dies tatsächlich schon länger. Einige Kommunen etwa in Bayern haben diesen Sprung in der Tat bereits geschafft. Das wäre eine echte Perspektive, ganz konkreter Beitrag zur Schonung von Ressourcen. Toni zählte drei konkrete Schritte auf: 1. Ein Gutachten zum Flächenpotential. 2. Leute staunen lassen, was möglich ist. 3. Machen!

 

Das überzeugte. Erst Recht, als ein Bürger aus Rehfelde aufstand und darüber berichtete, dass dies dort schon angegangen wird. Sicherlich etwas, auf das Neuenhagen aufbauen kann, der Kontakt ist hergestellt. Im gleichen Atemzug erwähnte er auch, dass es sich die Stadt München geleistet hat, umfangreich in die Ländereien im Umland zu investieren und so das Wasser nachhaltig sauber zu halten. Die verstaatlichten Landwirtschaftsflächen wurden an Bauern mit hohen Umweltauflagen verpachtet und so erreicht man bis heute ein deutlich saubereres Grundwasser.

 

Bei alledem beschlich mich aber eine Frage: Wie soll dieser Mensch es aushalten, jede Woche am Kabinettstisch mit Ursula von der Leyen, Wolfgang Schäuble oder auch Thomas de Maizière zu sitzen. Ich habe ihn das auch direkt gefragt. Seine Antwort war eindeutig: „Ja null komma null! Wir müssen dafür sorgen, dass es endlich für Rot-Rot-Grün reicht! Wir müssen das hinbekommen!“ Seine Offenheit rührte sicherlich daher, dass ich ihn das erst im Anschluss gefragt hatte. Da waren wir schon gemeinsam auf dem Weg aus dem Bürgerhaus zum Naturschutzcamp.

 

Doch mit Göhring-Eckhardt, Özdemir und Kretschmann zieht es die Grünen immer stärker ins konservative Lager. Fast schon so, als würden die rebellischen Kinder mit dem Alter gesetzter werden und sich ihren bürgerlichen Wurzeln wieder nähern. Umweltschutz und konservative Werte beißen sich ja nicht. Heraus kommt ein bisschen Elektroauto mit Verbrennungsmotor und Software-Update.

 

Hofreiter steht sicher für eine alternative Richtung. Aber wohin wollen die GRÜNEN? Man nimmt ihnen sehr ab, dass sie ihre Wurzeln tief in der ökologischen Bewegung haben. Aber gestern noch wurde ihnen vorgeworfen, nicht realistisch und pragmatisch zu sein. Heute hält man ihnen politische Beliebigkeit vor. Egal, wie sie es machen, die Kritik reißt nicht ab.

 

Das ist aus meiner Sicht sehr schade, schade für die vielen ehrlichen GRÜNEN, die sich  gegen Dieselskandale und Lohndumping engagieren und sich möglicherweise nach dem 24.Septmeber mit Dobrint und Lindner am Kabinettstisch wiederfinden. Ich habe den Eindruck, das Toni Hofreiter dieser Perspektive wenig abgewinnen kann.

 

Die GRÜNEN werden sich entscheiden müssen und es wird ihnen wehtun. Das war auch auf der Veranstaltung spürbar. Eine Bürgerin, die sich als Bürgerbewegte zur Wendezeit beschrieb und nun schon seit acht Jahren Mitglied der GRÜNEN ist, stellte fest, dass sie in diesen Jahren aber weniger erreicht hat, als damals in wenigen Monaten Bürgerbewegung. Wo sei das „Bündnis 90“ hin und was wollen die GRÜNEN tun, um mehr auch wieder als Bewegung zu wirken? Diese offene Sinnfrage der GRÜNEN machte auch in Neuenhagen keinen Bogen um Toni Hofreiter.

 

So gut wir miteinander klarkamen und so viele Gemeinsamkeiten ich mit ihm sehe, so sehr wünschte ich mir, seine Partei würde sich endlich entscheiden. Ja, wir brauchen endlich eine linke Mehrheit in diesem Land. Sie darf gerne einen deutlichen GRÜNEN Anstrich haben. Schließlich haben wir nur diesen einen Planeten. Aber bis dahin sollte der Wähler auch wissen, ob er nicht doch am Tag nach der Wahl mit dem immergleichen neoliberalen Müll aufwacht. Egal, ob der dann wenigsten Bio-Müll ist.


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Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf