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Gespräch mit Dr. Andre Brie

Die Linke.PDS-Fraktion hatte zu einer interessanten Diskussionsrunde über die Konsequenzen der von Brüssel angestrebten und kurz vor der Beschlussfassung stehenden Europäischen-Dienstleistungsrichtlinie (Bolkestein-Hammer) in die Arche eingeladen.

Kompetenter Gesprächspartner war Dr. Andre Brie, Mitglied des Europäischen Parlamentes, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, ausgewiesener Kenner der Sachlage und mit den besonderen Gegebenheiten der Brandenburger Kommunen vertraut.

Bei Dienstleistungen sollen ausschließlich die Bestimmungen des Staates der Niederlassung eines Unternehmens gelten. Dr. Brie wies hier darauf hin, dass in Deutschland über 70 Prozent der Erwerbsfähigen im Dienstleistungssektor tätig sind.

Die so genannte Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes bedeutet in letzter Konsequenz, wenn z.B. eine Stadtverwaltung die Reinigung der Gebäude, den Winterdienst der Straßen oder die Wartung der Rechentechnik von ausländischen Unternehmen erbringen lässt, muss sie wissen, welche Qualitäts-  und anderen Standards in den jeweiligen Ländern gelten und dass Regressansprüche nach deren Recht geltend gemacht werden müssen. Da die Kontrolle der Einhaltung aber dem Staat obliegt, in dem Leistungen erbracht werden, müssen Kontrollbehörden die gesetzlichen Bestimmungen aller 25 EU-Länder kennen.

Bürgermeister Henze machte auf die Folgen der neuen Richtlinie für die Gemeinde aufmerksam, die bei den zwingend vorgeschriebenen internationalen Ausschreibungsverfahren entstehen.

Darüber hinaus wies er auf die Benachteiligungen insbesondere für die regionalen Dienstleistungsanbieter hin.

Dieselben Probleme treffen letztendlich nicht nur die Unternehmen, sondern jeden einzelnen Bürger.

Die These, dass die Liberalisierung den Wettbewerb befördern und damit die Preise für die Verbraucher senken würde, führt die bisherige Praxis ad absurdum. In der Realität werden die Klein- und Mittelständischen Betriebe verdrängt und eine Marktneuaufteilung unter großen internationalen Gesellschaften vorgenommen, die in letzter Konsequenz ihre Marktdominanz für eine Monopolpreisgestaltung ausnutzen.
Dr. Brie führte in diesem Zusammenhang die Privatisierung der Rostocker Wasserversorgung an, die am Ende zu den höchsten Versorgungspreisen in Deutschland führte. Und erinnerte an den Einsatz von koreanischen Leiharbeitern in einer polnischen Werft zu Löhnen, die dem Begriff Lohn spotten.

Von vielen Diskussionsteilnehmern wurde die Inaktivität der kommunalen und Unternehmerverbände, wie der IHK oder der Gewerbeverbände, kritisiert und deren Passivität in Anbetracht der resultierenden Probleme für unsere Gesellschaft nicht verstanden wird.

Es tritt das ein, wovor ernsthafte Wirtschaftswissenschaftler gewarnt haben: erst hätten die Rahmenbedingungen für ein gemeinsames Europa geschaffen werden müssen, wie z.B. die Harmonisierung der Steuer- und Sozialsysteme, des Umwelt- , Gesundheits- und Verbraucherrechts und dann wäre eine Liberalisierung praktikabel.

So wird nur eine brutale Nivellierung auf unterstem Niveau durchgesetzt.

Es ist eine umfassende Information der Bevölkerung und eine breite Aktion gegen diese Zerstörung des Zusammenlebens notwendig.

Gerd Schlutow


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Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf