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Sven Kindervater

Galopprennbahn Hoppegarten: Bis keiner mehr klatscht

Die Gemeindevertretung Hoppegarten leistete sich am gestrigen Abend eine tiefblickende Sondersitzung zur Zukunft der Galopprennbahn. Den vielen Gästen, darunter lokale Polit-Prominenz und auch Besitzer Schöningh, zeigte sie aber vor allem eins: Wie man eine ohnehin aufgeheizte Debatte noch verschärfen kann. Dabei bräuchte es dringend Antworten.

 

Die Gemeindevertretung Hoppegarten leistete sich am gestrigen Abend eine tiefblickende Sondersitzung zur Zukunft der Galopprennbahn. Den vielen Gästen, darunter lokale Polit-Prominenz und auch Besitzer Schöningh, zeigte sie aber vor allem eins: Wie man eine ohnehin aufgeheizte Debatte noch verschärfen kann. Dabei bräuchte es dringend Antworten.

 

Christian Arndt hatte den Abend schwer zu kämpfen. Aufgeladen war die Stimmung in der Gemeindevertretung Hoppegarten. Wie man hört, ist das nicht selten der Fall. Aber gestern Abend war es dennoch etwas Besonderes. Denn der Saal war voll bis an die Decke. Der Landrat war da, Neuenhagens alter und neuer Bürgermeister, viele ihrer Gemeindevertreter und natürlich vor allem Bürger der beiden Kommunen.

Es hat schon etwas, wenn Rennbahnbesitzer Gerhard Schöningh und Hoppegartens Bürgermeister Karsten Knobbe vereint Stühle in den Saal schoben, damit möglichst niemand mehr stehen muss. Es war eine dieser ganz besonderen Momente der Hoppegartener Kommunalpolitik. Eine, von der hinterher jemand sagte: „Man hört ja manchmal von Sternstunden der Demokratie – das heute war ja wohl das komplette Gegenteil.“ Aber der Reihe nach.

 

Erneuter Anlauf zu Änderungen

Christian Arndt (GRÜNE), selber erst wenige Monate Vorsteher seiner Gemeindevertretung, hatte zu einer Sondersitzung einberufen, welche ausschließlich zwei Aufstellungsbeschlüsse behandeln sollte. Dabei ging es um die Einleitung von zwei Verfahren: Die Änderung des Flächennutzungsplanes und einen gänzlich neuen Bebauungsplan für die Galopprennbahn Hoppegarten.

Im Sommer 2017, geprägt von den Missstimmungen rund um das Lollapalooza-Festival, schmetterte die Gemeindevertretung Hoppegarten die Pläne der Rennbahn GmbH noch mit überwältigender Mehrheit ab. Seitdem waren Besitzer Schöningh und seine Mitarbeiter fleißig im Ort unterwegs. Auch gestern erhielten sie viel Raum zur Darstellung ihrer Vorhaben. Damit wollte man wohl signalisieren: Wir haben verstanden, dass wir mehr über unsere Pläne sagen müssen.

 

Wenig Konkretes

Doch leider blieb es bei der Salamitaktik. Drei Säulen stellte der Geschäftsführer vor: Pferdesport, Vermietungen und Events. Aus diesen drei Einnahmequellen solle sich die Galopprennbahn künftig selbstständig tragen können, inklusive der noch anstehenden, notwendigen Investitionen. Alternativen dazu, etwa Pferde-Therapie-Konzepte, haben sich als nicht wirtschaftlich dargestellt. Entweder man bekomme die Zustimmung zum Konzept oder man sehe sich außer Stande zum Erhalt des Betriebs.

Zur Vermietung deutete man Möglichkeiten im derzeit wohl ungenutzten Bereich an, wie Gastronomie, Hotels und Wohnen. Bei Events wolle man die Sorgen und Hinweise ernstnehmen, vor allem den Lärm senken. Ein Beschwerdetelefon solle eingerichtet werden, viele weitere Pläne habe man bereits in der Erarbeitung. Aber: Mehr als ein paar grobe Hinweise, was man machen könnte, sollte man erneut nicht erfahren. Entweder hat die Rennbahn GmbH noch keine genauen Pläne oder sie will sie noch nicht mitteilen. Beides ist wenig überzeugend.

 

Der Wunsch nach dauerhafter Lösung

Gerade der Bebauungsplan solle nur der Verlegung von Leitungen für Strom und Wasser dienen, um bei Großevents besser aufgestellt zu sein. Die Bühnen könne man anders verrücken, Veranstalter wolle man mehr in die Pflicht nehmen können. Der Flächennutzungsplan soll um die Möglichkeit dieser Events erweitert werden, sodass nicht ständig die Politik im Einzelfall entscheiden muss. Derzeit ist einzig der Pferdesport dauerhaft gesichert. Gerade dem Landrat merkte man an, dass er ungern dauerhaft in letzter Instanz entscheiden möchte.

Das Interesse, hier in einem Verfahren zu dauerhaften Lösungen zu kommen, ist verständlich und richtig. Doch dazu wird es mehr als nur Präsentationen mit schönen Worten brauchen. Vielmehr muss es um belegbare Fakten zur Lärmentwicklung, zur Umweltbelastung und zum Verkehr gehen. Wenn wie gestern mehrfach davon gesprochen wird, Mensch wie Tier „auszuquartieren“, damit die Kassen dank zehntausender Besucher besonders klingeln können, muss klar sein: Wer, wie oft, wohin.

 

Die Nummer 1

Zu alledem blieb die Rennbahn GmbH gestern erneut sehr vage. Man wolle Festivals (wie viele?), aber keine Festivalisierung. Überall auf der Welt seien Rennbahnen gezwungen „weg vom Pferdesport“ zu müssen (O-Ton Schöningh), man wolle aber im Kern Pferdesportanlage bleiben. Man könne eventuell sparsamer etwa bei Renntagen planen, das sei aber unterhalb des eigenen Anspruchs. Die Nummer eins in Deutschland wolle man werden. Wie und wozu und mit welchen konkreten Folgen – auf all das gab es kaum mehr als bunte Bildchen an der Wand mit fröhlichen Menschen und Feuerwerk.

Zu Beginn der Debatte hatten vor allem die Bürger beider Orte das Wort – ein beachtenswerte Herangehensweise des Vorsitzenden. Allerdings nicht unumstritten. Wann immer sich Neuenhagener zu Wort meldeten, fauchte es aus den Reihen etwa der CDU-Fraktion. Denn die Neuenhagener hatten alles andere als lobende Worte mitgebracht. Auch eine anwesende Pferdebesitzerin verdeutlichte, dass es für ihre Tiere eine Zumutung sei, entweder dem Lärm oder dem ständigen Transport ausgesetzt zu sein.

 

Meinungen, die schon feststanden

Aber der Diskurs war nicht gewünscht. Der Vorsitzende mühte sich ab zu erklären, es sei doch sinnvoll, lieber jetzt alles auf den Tisch zu bringen, was ohnehin im Verfahren bei den Auslegungen zu Tage treten würde. Es half nichts. Der Antrag der CDU, die Debatte nach der Bürgersprechstunde sofort zu beenden und direkt zu den Abstimmungen zu kommen, wurde einzig durch das Recht der einmaligen Meinungsäußerungen für Fraktionen in der Geschäftsordnung gebremst. Die Begründung: Egal, was gesagt werden würde, die Meinungen stünden ohnehin schon fest.

So wurde eine jede Fraktion aufgerufen. Geladene Gäste wie beispielweise Sprecher von Bürgerinitiativen kamen gar nicht zu Wort. Nur mit Mühe begehrte eine kleine Minderheit der Gemeindevertreter auf, um Änderungsanträge stellen zu können. Aber auch die wurden nicht zugelassen. Wahlweise wurde mit lauten Zwischenrufen mokiert, als etwa eine Beschränkung auf 30.000 Besucher gefordert wurde. Ein Umgang wohl üblich für die Hoppegartener Gemeindevertretung, für uns Neuenhagener mehr als nur befremdlich.

 

Ausbleiben der Demokratie

Sicher, ob Bundestag oder Kommunalparlament: In den Debatten steckt oftmals auch viel Präsentation von längst geäußerten Meinungen der Politiker. Aber das gehört zur Transparenz und zur Demokratie. Natürlich ist mir in Neuenhagen manchmal längst bewusst, warum die eine Fraktion so stimmt und die andere so. Aber der Bürger kennt die vielen Ausschüsse und Nebenberatungen nicht. Zur Demokratie gehört, dass im entscheidenden Gremium die Argumente noch einmal aufeinandertreffen.

Zusammenhänge verstehen, Hintergründe erkennen und Widersprüche sichtbar machen – wer daran kein Interesse hat, beschwört Unverständnis. Beide Lager hatten gestern mobilisiert, das Publikum repräsentierte weniger den Bevölkerungsschnitt als die allgemeine Zweiteilung der Region zum Thema. Es wäre schon interessant gewesen, mit welchen Argumenten man etwa dem geäußerten Wunsch nach einem Verbot für Großereignisse im Landschaftsschutzgebiet begegnet wäre. Allein es musste ausbleiben.

 

Vom Klatschen und Raunen

Gerade der geäußerte Vorwurf, die Kritiker der Rennbahn-Pläne würden hier das Ende der Debatte vorwegnehmen, lies tief blicken. Denn nichts anderes tat die Gemeindevertretung Hoppegarten gestern selbst. Zur einmaligen Sondersitzung mit ungewöhnlich vielen und prominenten Gästen ließ sie erst gar keine Debatte aufkommen. Die vielen Hinweise der Bürger verhalten einfach unbeantwortet.

Vielmehr hatte Christian Arndt es schwer, den Kessel nicht weiter köcheln zu lassen. Als es nach einem Wortbeitrag für die Pläne von Herrn Schöningh Applaus vor allem seiner angereisten Mitarbeiter, Angehörigen und herbeigerufenen Fans kam, bat Arndt eindringlich: Er könne es verstehen, aber jeder sollte frei seine Meinung sagen können. Es wurde dennoch immer wieder geraunt, gestöhnt, geklatscht oder gepoltert.

 

Der Spaltpilz der Region

Am Ende stimmte eine übergroße Mehrheit den beiden Anträgen zu. Und wo es auf der einen Seite erneut Applaus gab, stand anderen das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Vor allem auch denjenigen, die nicht immer lauter und aggressiver wurden. Die Demokratie sollte sich schon fragen, wem sie dieser Tage auch in Hoppegarten den Vorrang lässt.

Aber an alle die sich gestern als Sieger fühlten, sie vor allem ein Gedanke ans Herz gelegt: Wenn die Galopprennbahn Hoppegarten sich als Spaltpilz der Region entpuppt, wenn sie Nachbarn gegeneinander aufwiegelt, wenn sie einen Riss zwischen Profi- und Freizeitreiterei erzeugt und am Ende tatsächlich in Gewinner und Verlierer einteilt, dann ist sie zum Scheitern verdammt.

 

Warum eigentlich?

Das Ziel muss es sein, eine für alle Seiten erträgliche Lösung zu finden. Dafür müssen Antworten auf die berechtigten Sorgen kommen. Immer wieder am Mikrofon um Vertrauen in die Rennbahn GmbH zu bitten, wird nicht reichen, vor allem nicht als Ersatz für belegbare Zahlen. Mir ist niemand bekannt, der die Galopprennbahn Hoppegarten nicht auf die Erfolgsspur bringen will. Aber zu welchem Preis?

Gleich als aller erstes meldete sich ein Bürger, ob es nicht von Anfang an fraglich gewesen sei, einzig mit dem Pferdesport Gewinn machen zu können. Warum man sich nicht am ursprünglichen Verfahren des Flächennutzungsplanes im Jahr 2016 beteiligt hätte, sondern erst jetzt mit den Plänen rausrückte. Und er stellte einen interessanten Vergleich: Wenn der kleine KfZ-Mechaniker nicht mehr rentabel ist, muss er zumachen. Für die Galopprennbahn soll eine ganze Region tiefgreifende Kompromisse tragen – warum eigentlich?

Darauf könnte es gute Antworten geben. Wer sie aber partout nicht geben will, befeuert von ganz allein die ohnehin aufgeheizte Debatte. Man stelle sich doch mal vor, man gehe den mühsamen Weg des Diskurses. Einen Weg, auf dem man auch noch einmal größere Anpassungen vornehmen muss, damit eben viel mehr Menschen damit ihren Frieden finden. Und am Ende bleibt eine Debatte, an der niemand mehr klatschen muss. Weil dann alle wissen, dass es gut ist. Wäre es das nicht wert?

 


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Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf