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Die Menschen erwarten von uns, dass wir zu unserem Wort stehen.

Sommerinterview mit dem Vorsitzenden der brandenburgischen Linken, Thomas Nord.

Die brandenburgische Linke hat beschlossen, diesmal für eine Regierungsbeteiligung bereit zu stehen. Was würde sich in Brandenburg ändern, sollte es dazu kommen?

Wir sind in Brandenburg eine linke Volkspartei, die sich zum demokratischen Sozialismus bekennt. Wir kämpfen für einen Politikwechsel und wenden uns vor allem an diejenigen, die diesen Wechsel wollen. Wir sprechen Arbeitnehmer, Arbeitslose und Unternehmer an. Nur mit uns wird es ein neues Vergabegesetz und den Mindestlohn geben, 15.000 Stellen in einem öffentlichen Beschäftigungssektor und nur mit uns gibt es einen Start-up-Fonds, um die Eigenkapitalbasis für Kleinunternehmen zu verbessern. Wir sagen klar, was wir für bessere Bildung in Brandenburg tun wollen: Mehr Lehrer und Kitapersonal; in den Schulen soll keine Klasse mehr als 24 Schüler haben; wir wollen mindestens 500 neue Lehrkräfte jährlich einstellen. In den Kitas soll die Betreuungsrelation bei den unter Dreijährigen 1:6, bei den Drei- bis Sechsjährigen 1: 12, bald sogar 1: 10 betragen. Die Umsetzung zentraler Forderungen sozialer Initiativen und Verbände wird es nur mit uns geben. Und deswegen zählt die Einführung der elternbeitragsfreien Schülerbeförderung und eines Sozialticket für 45 Euro zu unseren Schlüsselvorhaben. Nur mit uns kann das große ökologische Erneuerungspotenzial Brandenburgs optimal für Wachstum und Beschäftigung genutzt werden. Mit unseren Schlüsselvorhaben im Bereich der regenerierbaren Energien und der Agrarwirtschaft setzen wir auf Projekte, die die lokale Wirtschaft stärken und so auch der Abwanderung entgegen wirken In den Jahren der Großen Koalition sind viele Verkrustungen und Blockaden entstanden. Deswegen wollen wir konkrete Reformprojekte mit langfristigen Strukturreformen verbinden. Das sind zum Beispiel: Der Einstieg in ein neues Schulsystem in Form der Gemeinschaftsschule, der Umbau Wirtschaftsförderung, eine Verwaltung- und Funktionalreform, die die Kommunen stärkt.

Bei der Umsetzung dieser Projekte haben Sie aber zwei Probleme, die SPD und die Krise.

Ich glaube, dass sich die SPD noch entscheiden muss, ob sie Teil der Lösung werden will. Und viele sozialdemokratische Wähler wissen, dass das nur mit uns geht. Zwei konkrete Bespiele:
Einen gesetzlichen Mindestlohn und ein Vergabegesetz, dass öffentliche Aufträge an soziale Standards bindet, wird es im Bund und Brandenburg, nicht ohne linke Mehrheiten geben, nicht ohne Zusammenarbeit von SPD und Linker. Im Bund hat die SPD dafür die Tür zugeschlagen. In der Landespolitik ist die Tür ein Stück weit offen geblieben. Gelegentlich habe ich jedoch den Eindruck, dass die SPD hier erwartet, dass wir vor dem Eintreten unsere Projekte auf der Treppe liegen lassen. Insofern bleiben wir ganz nüchtern: Wir sind bereit, für die Umsetzung unserer Vorhaben in die Regierung zu gehen. Wenn die Substanz dafür vorhanden ist, kann es eine Koalition geben, wenn nicht, dann gehen wir wieder in die Opposition. Gerade wegen der Krise haben wir keinen Grund, auf die Vertretung der Interessen unserer Wähler zu verzichten. Es sollte übrigens nicht verkannt werden, dass sich mit der Krise die Bedingungen für die Politik aller Parteien in Brandenburg grundlegend verändert haben. Wenn Sie einen Blick in die Programme von CDU und SPD werfen, stellen Sie fest, dass ein realistischer Umgang mit den finanzpolitischen Konsequenzen der Krise dort kaum stattfindet. Beide listen dort Wohltaten auf und versprechen gleichzeitig, die Kürzungspolitik der vergangenen Jahre fortsetzen zu wollen. Die Nullverschuldung ist ihr Fetisch. Wir haben da eine andere Meinung: Sinnvolle Investitionen müssen auch weiter über Kredite finanziert werden. Und der Zustand des Schul- und des Kitawesens, den die Potsdamer Koalition zu verantworten hat, ist doch so wie er ist, weil hier an der falschen Stelle gespart wurde.

Matthias Platzeck und sein Generalsekretär Klaus Ness heben immer wieder hervor, dass viele Brandenburger doch zufrieden sind und die Bilanz der Regierung gar nicht so übel ist.

Natürlich ist in den letzten 20 Jahren für Brandenburg manches erreicht worden. Und weil Linke und SPD hier gelernt haben auch fair miteinander umzugehen, will ich das auch gar nicht in Abrede stellen. Das gehört für mich zur Bodenhaftung in der Politik. Die vermisse ich in der Erfolgsbilanz von Matthias Platzeck. Sicher, die Arbeitslosigkeit ist hier um ein Drittel gesunken. Aber 100 Tausend Brandenburger können von den neuen Jobs nicht leben und melden sich zum „Aufstocken" ihres Lohns beim Job-Center. Und wir liegen mit einem Durchschnittsverdienst von 30.490 Euro im Jahr, 10.000 Euro unter dem Bundesniveau. Beim bildungspolitischen Vergleich bekommt Brandenburg bessere Noten, doch 11 Prozent unserer Jugendlichen verlassen die Schule ohne Abschluss. Die Kinderarmut in diesem Land nimmt bedrohliche Ausmaße an. Gegen diese Zustände rafft sich die Regierung immer erst dann auf, wenn Betroffene auf die Straße gehen. Das war beim Sozialticket so und beim Thema Freie Heide. Das haben wir in Potsdam gesehen, als der Ministerpräsident vor tausenden Eltern und KiTa-Erzieherinnen ausgepfiffen wurde. Diese Regierung muss man zum Jagen tragen. Hier läuft vieles aus dem Ruder. Deswegen muss der Kurs geändert werden. Nicht nur in der Landespolitik, sondern auch beim bundespolitischen Agieren Brandenburgs. Es ist ja gut, dass Mathias Platzeck wenn er im Bundestag redet nun auch den Neoliberalismus kritisiert.. Aber wenn es konkret wird, gibt Platzeck den Unterstützer für die Fortsetzung der neoliberalen „Reformen". Das war so bei Hartz IV und das war so bei der Föderalismusreform II. Letztere hat uns die „Schuldenbremse" eingebracht, die uns im Land zu weiteren Kürzungen in den Bereichen zwingen kann, wo es wehtut. CDU und FDP werden nach den Wahlen die Rechnung präsentieren und die Krisenlasten auf Arbeitnehmer, Arbeitslose und sozial Schwache abwälzen. Dagegen werden wir  konsequent kämpfen. Die Frage ist, was Platzeck und Steinmeier tun werden? 

In der Bundes-SPD und CDU streitet man sich um Rentengarantien, Steuerpolitik und vieles mehr. Lehnt sich die Linke jetzt zurück und wartet nur darauf, dass sich die anderen zerlegen?

Die Menschen erwarten von uns, dass wir Haltung zeigen und Wort halten. Das ist etwas völlig anderes, als sich zurückzulehnen. Natürlich bin ich erleichtert, dass es uns auf Bundes- und Landesebene gelungen ist, den innerparteilichen Streit beizulegen. Wir haben jetzt den Kopf und den Rücken frei, für den Wahlkampf. In seinem Zentrum stehen unsere Schlüsselvorhaben und die Mobilisierung der Wähler für den Wechsel. In unserem zentralen Wahlquartier wie in den Kreisen wird mit Hochdruck gearbeitet. Wir setzten verstärkt darauf, auch parteilose Mitstreiter für den Wahlkampf zu gewinnen, die wir direkt auf der Straße oder im Internet ansprechen. Wer für den Wechsel aktiv werden will, braucht nicht erst bis zu den Wahlen zu warten. Er kann jetzt in unserer Kampagne mitmachen. Ich sage meinen Genossinnen und Genossen, dass das Potenzial für ein gutes Wahlergebnis da ist. Jetzt muss gekämpft werden. Es gibt keine Sommerpause.

Die Brandenburger kennen uns, wir sind berechenbar, auch für diejenigen, die uns politisch nicht mögen. Und wir kennen das Land, und wissen, was sich ändern muss. Mit Kerstin Kaiser, unserer Landtagsspitzenkandidatin und unserer Spitzenkandidatin für die Bundestagswahlen, Dagmar Enkelmann, haben wir zwei gestandene Politikerinnen aufgestellt. Wir haben ein Kompetenzteam aus über die Grenzen der Partei anerkannten Fachleuten, die in allen Bereichen gleiche Augenhöhe herstellen können.

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Das Interview führte Marian Krüger.


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Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf