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Sven Kindervater

Der 2-Mio-Euro-Mythos

Viel wird dieser Tage wieder über das sogenannte Reichelt-Dreieck gesprochen. Das Gelände zwischen Lindenstraße, Hoher Allee und Oberlandstraße wurde in 1990ern verkauft. Jetzt wird spekuliert, das umzukehren. Dabei gibt es gar kein Angebot.

Viel wird dieser Tage wieder über das sogenannte Reichelt-Dreieck gesprochen. Das Gelände zwischen Lindenstraße, Hoher Allee und Oberlandstraße wurde in 1990ern verkauft. Jetzt wird spekuliert, das umzukehren. Dabei gibt es gar kein Angebot.

 

Die Begehrlichkeiten rund um das Reichelt-Dreieck sind seit vielen Jahren groß. Mehr Handel darf sich nicht ansiedeln, das wurde zum Schutz von damals Reichelt und Netto untersagt. Verschiedene Wohnbauprojekte waren zwischenzeitlich vernehmbar. Aber zuletzt saß immer die „Edeka“ (nach dem Aufkauf von Reichelt) am längeren Hebel und wollte partout nicht verkaufen.

Das hängt damit zusammen, dass die zuständige Abteilung natürlich maximalen Gewinn anstrebt und gleichzeitig keine Konkurrenz zulassen möchte. Da die Preise in Neuenhagen seit Jahren ungebremst steigen, lies man sich Zeit mit dem Verkauf. Im Sommer 2017 war es dann aber eigentlich soweit.

 

Investor in den Startlöchern

Ein Investor für altersgerechtes und begleitetes Wohnen bekam den Zuschlag, die nötigen Unterschriften der Edeka und stand in den Startlöchern. Doch kurze Zeit vorher regte es sich auf einmal in der Gemeindevertretung Neuenhagen.

Im Zuge der Schuldebatte wollte man die Option prüfen, einen Neubau der Fallada-Grundschule auf diesem Areal zu errichten. Ohne an dieser Stelle in die Schuldebatte einzusteigen, ging es darum, dass sich der Bürgermeister dafür einsetzen sollte, das Grundstück zu erwerben.

 

Ein wütendes Cafégespräch

Der lud die Fraktionsvorsitzenden kurze Zeit darauf zu einem Cafégespräch ins Morsteins – das kam bis hier hin selten vor. Man munkelte schon: Will er vorzeitig zurücktreten? Ist eine große Finanzierungslücke aufgetaucht? Am Ende war es etwas ganz anderes: Die Edeka hatte der Gemeinde einen Korb gegeben.

Bürgermeister Henze war wütend und die Diskussion entsponn sich erst einmal um die Schuldfrage. Dabei war die Gemeinde schlicht und ergreifend zu spät. Jahrelang sagte sie, sie würde sich kümmern, aber die geforderte eine Million Euro wäre sie nicht bereit zu zahlen, das wäre schlichtweg zu viel.

 

Grundstücke tauchten auf und verschwanden

Die Gemeindevertreter begannen im Anschluss daran, sich mit dem Investor zu treffen. Ein Austausch-Grundstück sollte her. Das altersgerechte Wohnen sollte eine Ersatzfläche finden und die Schule ihren vorgesehenen Platz am Reichelt-Dreieck. Schließlich konnte man mit dem Investor die gescheiterten Verhandlungen der Edeka umgehen.

Zunächst gab es auch Nennungen von Grundstücken, etwa der alte Sportplatz am Schäferplatz. Aber kaum ließ sich der Investor darauf ein, blockte das Rathaus. Das Gelände würde für KITAs gebraucht hieß es auf einmal. Später änderte man das überraschend, man bräuchte es nun für die Entwicklung der gemeindeeigenen Fläche des Schäferplatzes, eventuell neue Verkaufsflächen. Was davon nun stimmt, vielleicht erfahren wir es nie.

 

Geld einfach mal nicht eingestellt

Vor allem aber stieß etwas Neues auf: Der Investor war bereit, den Preis der Edeka direkt weiterzugeben und dafür der Gemeinde das Ersatzgrundstück abzukaufen. Die Summe: Zwei (!) Millionen Euro. Mit dem Verkauf etwa des alten Sportplatzes wären es wohl immer noch um die 1,5 Millionen Euro Investitionen gewesen.

Im Haushalt, den der Bürgermeister im Herbst 2016 für das Jahr 2017 vorlegte, war die Summe jedoch gar nicht eingestellt. Parteiübergreifend wurde dies in letzter Sekunde bemerkt und verändert. Doch ohne Ersatzgrundstück – auf einmal gab es statt fünf Optionen gar kein Grundstück mehr in Neuenhagen laut Verwaltung – verlief die Debatte im Sande. Im Haushalt 2018 fehlt die Summe nun endgültig. Derzeit kann also gar nicht gekauft werden.

 

Kein Zurückschrecken vor kalter Enteignung

Mittlerweile war aber auch der Fachbereich Bauwesen auf das Gelände scharf und äußerte unverblümt den Wunsch, es als „Gemeinbedarfsfläche“ zu sichern. Mit dieser Festsetzung im Flächennutzungsplan hieße das schlichtweg: Hier kommt nur etwas hin, was der Gemeinde nützt. Schule, Kitas, vielleicht auch eine Sporthalle – das altersgerechte Wohnen stand vor dem aus.

Im Verlauf von 2017 beschloss die GVT schon einmal Planungsleistungen für den Gemeinbedarf, wohl wissend, dass der Grundstückspreis – es war ja nun nicht mehr zu verwenden – fast gen Null tendieren würde. Statt in Höhe von zwei Millionen Euro sollte das Gelände durch Planungsänderungen massiv entwertet werden. Eine kalte Enteignung nennt man sowas.

 

Investor zog Angebot zurück

Der Investor zog mittlerweile vollkommen entnervt sein Angebot zurück. Die Vorverträge mit Edeka verlängerte er vorsorglich, in der Hoffnung, eines Tages eventuell doch Bebauungsrecht zu bekommen, ließ aber auch durchblicken, sich eventuell zurückzuziehen.

Am Ende bliebe ein dann komplett entwertetes Grundstück, auf das eines Tages eventuell eine Schule oder KITA stehen könnte (unwahrscheinlich, aber dazu an anderer Stelle), welches der Edeka quasi über Nacht nichts mehr einbringen würde.

 

Ein verwirrendes Rathaus

In Anbetracht der gescheiterten Verhandlungen mit der Edeka und dem Umgang mit dem Investor – anscheinend kann man es sich im Rathaus leisten, auf Wohnungen für Ältere zu verzichten – bleibt also die Frage: Wird die Edeka jemals verkaufen?

Beim meinem letzten Gespräch zu dem Thema sagte mir Bürgermeister Henze ins Gesicht, wir bräuchten das Grundstück nicht. Schon sein Stellvertreter argumentierte 30 Minuten später – nicht wissend von dem Vorgespräch – das komplette Gegenteil. Der Fachbereich Soziales verwies darauf, gar keine neuen Orte für KITA und Schulen zu brauchen und der Fachbereich Bau plante unberührt am Gemeinbedarf. Ob die auch ab und an mal miteinander reden?

 

Eine denkbar einfache Lösung

Fakt ist: Es gibt derzeit gar kein Angebot. Die Zahl „zwei Millionen“ geistert zwar immer noch durch den Ort, ist aber seit über einem Jahr vom Tisch. Wir haben einen verhinderten Investor, eine enteignete Edeka und ein sich seit Jahren widersprechendes Rathaus.

Was muss geschehen? Zur Schuldebatte gibt es bessere Lösungen, KITA-Flächen sind bereits andernorts vorgeparkt. Ja, am Schäferplatz sollte man tatsächlich über Gewerbe nachdenken. Aber aufs Reichelt-Dreieck gehört das altersgerechte Wohnen. Übrigens dann mitten im Leben und nicht an die Autobahn, wie von einigen gefordert. Ist das wirklich so schwer?

 

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf der Seite des Team Kindervaters.


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Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf