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Das Land der Scheren

In seinem Essay „Leistung muss sich wieder lohnen“, in der WELT AM SONNTAG, NR. 34, hat uns Kurt Beck, Expressnachfolger von Franz Müntefering, Matthias Platzeck und Gerhard Schröder geschildert, was in Deutschland so alles schief läuft. Hätte er nicht tun müssen, stand 14 Tage zuvor als Leitartikel im SPIEGEL.

In seinem Essay „Leistung muss sich wieder lohnen“, in der WELT AM SONNTAG, NR. 34, hat uns Kurt Beck, Expressnachfolger von Franz Müntefering, Matthias Platzeck und Gerhard Schröder geschildert, was in Deutschland so alles schief läuft. Hätte er nicht tun müssen, stand 14 Tage zuvor als Leitartikel im SPIEGEL.

Nun, was stimmt denn nicht in unserem schönen Vaterland?

Herr Beck spricht es nie wörtlich so aus, aber er erwähnt die beiden Begriffe derart oft, dass klar wird, dass bezweifelt werden darf, ob die nachfolgenden Tugenden noch in unserem gemeinsamen, deutschen Katalog stehen: „Leistung“ und „Solidarität“. Doch was ist eigentlich Leistung? Was fehlt uns da? Ist es wirklich eine anerkennungswürdige Leistung mit dem Geld anderer Menschen zu spekulieren und Gewinne in dreistelliger Millionenhöhe einzufahren?

Erhöht es den Willen zu Leistung und stärkt es den Glauben in den Staat, wenn lukrative Stellen bereits vor ihrer Ausschreibung von der Lebensgefährtin eines amtierenden Stadtrates besetzt sind? Ich denke nicht. Und Solidarität? Was will der Mann denn? Wir zahlen doch alle brav unseren „Soli“. Sonstige Solidaritätsforderungen, welche Kurt Beck aufgreift, hören sich an, wie ein Forderungskatalog Der Linken. PDS. Von „erstklassige Kindergärten und Schulen“ ist da die Rede, von skrupellosen Managern, die sich auf Kosten des kleinen Arbeiters hemmungslos bereichern und von besseren Arbeitschancen und -bedingungen für die ältere Generation. Doch muss sich der SPD-Vorsitzende fragen lassen, zu welcher Zeit und wie er solche erstrebenswerte Ziele umsetzen will. Er meint: „Darüber hinaus brauchen wir politischen Willen und einen handlungsfähigen Staat, um Leistungsprinzip und solidarischen Zusammenhalt zu entwickeln.“ Hier werden die Ergebnisse einer Politik beklagt, welche die SPD selbst mit auf den Weg gebracht hat. Die Regierung Schröder entlastete die Reichen, installierte Harz I bis IV und die Agenda 2010. Jetzt wird über die Folgen gejammert. Doch findet man einen Punkt der Umkehr? Nein! Dort wo Schröder und Fischer aufgehört haben, knüpfen Merkel und Müntefering nahtlos an.

Ja, wann, lieber Herr Beck, wenn nicht jetzt, sollen sich bessere Bedingungen für gestalterische Politik ergeben? In Berlin regiert eine große Koalition mit unangreifbarer Mehrheit. Die Föderalismusreform hat die Möglichkeiten nationaler politischer Gestaltung noch weiter erhöht. Welche Instrumente parlamentarischer Macht müssen denn noch geschaffen werden, damit das Kabinett Merkel auch nur eines seiner Ziele erreichen kann?

Doch anstelle das Land aus der Krise zu führen, werden Steuern und Abgaben erhöht. Sonst hält man schön still und die einzige Bewegung, welche zu bemerken ist, ist jene der großen Volksparteien hin zur Mitte. SPD und CDU suchen die „neue Mitte“, nach der es schon Altkanzler Schröder verlangte. So wird es für den Wähler immer schwerer sich für eine der großen Parteien zu entscheiden. Die Folgen ihrer Konturlosigkeit werden CDU und SPD noch zu spüren bekommen. Der Wähler sucht nach Werten, die solche Gebilde nicht vermitteln können!

Es ist nicht so, dass Kurt Beck die Situation in unserem Land nicht kennt, er verkennt sie nur, und dies macht seine Äußerungen gefährlich. Einer wenig erfreulichen Analyse des Zustandes unserer Nation folgt ein Katalog von all dem, was man Schönes machen könnte. Einen Ansatz, wie man das eine beheben und das andere bewirken kann, bleibt der rheinland-pfälzische Ministerpräsident schuldig.

Die Scheren zwischen Reich und Arm, gebildet und ungebildet werden sich also noch weiter öffnen. Leider auch in unseren Köpfen.

PS: Bis jetzt hat uns die neue Bundesregierung nur eins gelehrt: „Leisten Sie etwas, dann dürfen Sie auch wieder löhnen!“

Dr. Arno Gassmann

 


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Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf