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Sven Kindervater

Danke.

Politiker gehen nie, wie sie sich das mal gedacht haben.

Aber: Sie sind zu jeder Zeit ersetzbar.

 

Ich trete hiermit von all meinen Funktionen und Ämtern in der Gemeindevertretung Neuenhagen bei Berlin und meiner Partei, der LINKEN, zurück.

Ich möchte zunächst erst einmal allen danken, die mich in all den Jahren  begleitet haben, zu mir standen, mich gewählt haben, für mich da waren. Es waren so viele, ich habe so viele tolle Momente erleben dürfe. Ich durfte zu dem werden, der ich heute bin.

Die Entscheidung mag kurzfristig wirken, sie ist aber langfristig gereift. Zuletzt haben mich nur noch zwei Dinge gehalten: Die Frage eines Journalisten, ob ich nach der Wahlniederlage einfach weggehe – und der Gedanke, wie sich einige wenige nun sehr freuen werden.

Aber denen möchte ich hier auch keine weitere Aufmerksamkeit schenken.
Vielmehr möchte ich den Weg für einen echten Neuanfang freimachen.

Die politische Kultur in unserem Land und auch in meiner Heimat Neuenhagen verändert sich und es braucht dazu eine veränderte Herangehensweise.

Die alten Pfade, das bisherige Agieren, die üblichen Methoden – sie funktionieren nicht mehr. Sie sind aber das, wofür ich stehe. Und zwar egal, ob zurecht oder unrecht.

Ich bin angetreten im „Miteinander für Neuenhagen“.
Ich kann auch nur im Miteinander. Aber dieses Miteinander ist nicht mehr gegeben.

Detailarbeit, Kompromisse und dabei ein ehrliches Agieren – zunehmend rückt das in Neuenhagen in den Hintergrund. Was einem stattdessen entgegenschlägt: Wut, Unverständnis und vermeintlich einfache Antworten.

Ich habe mich in den letzten Tagen klar und deutlich zum Zustand um die Neuenhagener Politik geäußert. Mich hat nicht schockiert, dass mich dafür die üblich Verdächtigen angegriffen haben.
Mich haben diejenigen bewegt, die einfach nicht sehen wollen. Die sich jetzt einen Blumenstrauß an Gründen einfallen lassen, warum es einfach nicht wahr sein darf. Oder die einfach schweigen.

Aber ich bin gar nicht wütend über sie. Ich bin eher dankbar. Weil ich  dadurch weiß, was die Stunde geschlagen hat und wohin die Reise gehen soll.

Ich brauchte diesen Artikel entgegen vieler Aussagen nicht für mich und mein Ego. Ich wollte wissen: Wie reagiert mein Umfeld, sind sie bereit für die nötigen Schritte?

Dazu kommt, dass ich neben dem Politiker vor allem im Herzen Musiker bin. Als Musiker erfährst du immer erst am Applaus, ob etwas gut war. Das ist meine Art, andere können das anders handhaben.
Dabei bin ich mir bewusst: Politik ist nicht der Ort für Dankbarkeit und Anerkennung. Aber man sollte immer wissen, wofür und für wen man es macht.

Und wenn es um Dankbarkeit nicht gehen soll, dann muss man auch gehen, wenn man seinen Zweck erfüllt hat und Menschen weiterziehen und was anderes suchen.

Denn: Ein Politiker, der denkt, es ginge um ihn, der hat schon verloren.
Ein Politiker ist immer ein Objekt, in das Menschen ihre Hoffnung und Wünsche hineinprojizieren.

Wenn sich die Wünsche dann ändern, hat der Politiker zwei Optionen: Er ändert auch seine Wünsche – oder er geht.

Ich bin dankbar, dass ich nun seit 2005 für meine Heimat so aktiv sein konnte und dass ich so viel für Menschen erreicht habe.

Das gilt insbesondere für die Jugend in Neuenhagen.

Für die Blaupause und die Oberschule des IB.
Für die Skaterpark und die Spielplätze.
Und für die Streetworker, die nach zehn Jahren Kampf nächstes Jahr nun endlich Realität werden.

Auch wenn ich mich auf Wunsch meiner Fraktion jetzt vier Jahre intensiv als Ausschussvorsitzender mit der Ortsentwicklung auseinandergesetzt habe, blieb und bleibt die Sozial- und dabei vor allem die Jugendpolitik  immer eine Herzensangelegenheit.

Nun hat der Bürgermeister angekündigt, dass er auch im nächsten Jahr wieder die Jugend am Bahnhof vertreiben will, zum Ausgleich einen Unterstand irgendwo im Gewerbegebiet anbietet und darüber hinaus einen neuen Spielplatz streichen will.

Ich könnte mich dagegen jetzt wieder auflehnen – aber wofür? Ständig dagegen sein, das kann kein Inhalt von Politik sein. Ich werde jetzt auch nicht noch einmal ausholen, was dieser Tage noch so alles einfach nicht geht.

Man muss Politik gestalten. Und wenn nicht genügend mitgestalten wollen, ist das nicht nur ihr gutes Recht – dann sollte man wissen, das es Zeit ist, zu gehen.

Man spürt in diesen Zeiten, dass es woanders hingehen soll. Damit meine ich nicht einmal meine unmittelbaren Kollegen, da sollte sich jetzt auch hoffentlich niemand Vorwürfe machen oder angegriffen fühlen.

Man merkt es an der gesamtpolitischen Lage und auch am Umgang in  Neuenhagen. Da will ich aber nicht hin. Was bleibt, ist das sich in den Spiegel schauen können.

Als ich neulich mal darüber sprach, warum ich eigentlich noch aktiv bin, sagte mir jemand: „Na du bist halt jemand, der spürt halt Verantwortung!“

Die Verantwortung um meine Aufgaben war es, die mich in all den Jahren voller Höhen und Tiefen immer wieder motiviert haben. Zu wissen, ich werde gebraucht und kann nicht gehen.
Aber so ist es nicht mehr.

Als wir nach zwei Jahren unsere Konzertreihe „kultbeat“ im Jugendclub Blaupause einstellten, nachdem immer weniger Besucher kamen, dauerte es ein viertel Jahr und es fand sich eine neue Gruppe, die aktiv wurde und das Haus wieder vollmachte.

So wird es auch dieses Mal sein.

Verantwortung ist das eine. Sich für unersetzlich halten das andere.
Niemand ist unersetzlich.

Neuenhagen braucht einen Neuanfang. Vielleicht will es den auch nicht jetzt.
Aber ich kann dieser Neuanfang nicht sein.

Meine Partei braucht einen Neuanfang. Dringend.
Ich kann dieser Neuanfang nicht sein.

Und auch meine Fraktion wird sich unter den neuen Umständen neu erfinden müssen.
Auch sie wird das ohne mich schaffen.

Ich durfte sie zu einem Zeitpunkt übernehmen, da waren wir noch drei Leute. Über die Jahre ist ein tolles Team aus zwölf Leuten entstanden, vor allem mit vielen starken Frauen.

Es war mir eine Ehre, dies aufbauen zu dürfen und nun eine stabile Fraktion zu hinterlassen. Habe ich zunächst vieles allein gemacht, kann ich mich mittlerweile auf alle blind verlassen.

Ich weiß, DIE LINKE wird in Neuenhagen gebraucht.
Und ich weiß, dass sich dort nur die Besten engagieren.

Ich kenne die meisten meiner Stärken und noch viel mehr meiner Schwächen.
Für mich war immer wichtig: Macht es einen Unterschied, ob ich da bin oder nicht?

Mein Chef bei citkar sagte mit letztens: „Sven, super dass du bei dem Gespräch dabei warst, auf die Idee wäre ich gar nicht gekommen!“

Ich müsste lügen, wenn mir das nicht imponiert hätte.
Aber ich merke eben auch: Hier ist dein Platz, hier erfüllst du eine wichtige Aufgabe.

Ich habe 2008 zur Kommunalwahl 2% aller Stimmen erhalten. 2014 waren es  7% aller Stimmen. Dieses Jahr erhielt ich als Bürgermeisterkandidat 17%  der Stimmen. Ich glaube, ich habe meine Arbeit gemacht.

Ich möchte aber auch den Weg freimachen.
Für neue Gedanken, neue Pfade, neues Herangehen.

Wenn man tief in der Materie steckt, sieht man sehr oft sehr genau, was  alles getan, verändert, oder überdacht werden müsste. Auch ich habe den Kopf voll.

Aber die meisten Politiker verstehen nicht, dass ihre Aufgabe nicht darin besteht, diesen Wandel auch zu verkörpern.

Sie haben nur noch den Job, den Nachfolgenden den Weg zu bereiten.

Ich bin nicht weg.
Ich mache jetzt nur was anderes.

Meiner Heimat, meiner Partei und vor allem meiner Fraktion wünsche ich nur das Beste.

Danke für alles.


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Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf