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»Bolkestein« in Brandenburg Dienstleistungsrichtlinie ohne »richtige Linie«

Der für Europaangelegenheiten zuständige Staatssekretär Brandenburgs erklärt, der gefundene Kompromiss über eine EU-Dienstleistungsrichtlinie böte ein Beispiel für den Einklang von Erhalt und Weiterentwicklung des Europäischen Sozialmodells mit Entbürokratisierung für mehr  Wirtschaftswachstum.
Sie bringe Rechtssicherheit und wahre den Schutz von Verbrauchern und Arbeitnehmern.

Von Entbürokratisierung kann jedoch keine Rede sein. Obwohl der Begriff Herkunftslandprinzip im Dokument nicht mehr auftaucht, ist das Prinzip nicht verändert worden: Bei Dienstleistungen sollen ausschließlich die Bestimmungen des Staates der Niederlassung eines Unternehmens gelten. Da die Kontrolle der Einhaltung aber dem Staat obliegt, in dem Leistungen erbracht werden, müssen Kontrollbehörden die gesetzlichen Bestimmungen aller 25 EU-Länder kennen.
Wenn eine Stadtverwaltung die Reinigung der Gebäude, den Winterdienst der Straßen oder die Wartung der Rechentechnik von ausländischen Unternehmen erbringen lässt, muss sie wissen, welche Qualitäts-  und anderen Standards in den jeweiligen Ländern gelten und dass Regressansprüche nach deren Recht geltend gemacht werden müssen.

Es stimmt, eine Reihe von Regelungen, die Unternehmen betreffen, sollen abgeschafft werden.
Den Mitgliedstaaten, damit auch den Ländern und Kommunen, wird u. a. untersagt, von Unternehmen eine Niederlassung und Registrierung einzufordern, wenn sie Leistungen dort erbringen wollen. Das bedeutet auch, dass Unternehmen sich in EU-Staaten mit niedrigeren Steuern ansiedeln können, ihre Dienstleistungen in einem anderen Staat erbringen, Steuern aber im Herkunftsland zahlen. Die Kommunen, die gerade durch Hartz IV besonders in Brandenburg und Ostdeutschland finanzielle Belastungen in Milliardenhöhe erfahren, werden aufgrund der ausbleibenden Gewerbesteuereinnahmen noch weniger Mittel für soziale Aufgaben zur Verfügung haben.

Dass Tarifrecht und Mindestlöhne geschützt bleiben, ist gut. Nur: In Deutschland sind Mindestlöhne gar nicht existent, in den neuen Bundesländern werden Tarifverträge recht selten abgeschlossen.
Überhaupt ist die Entsende-Richtlinie in Deutschland nur für wenige Branchen in nationales Recht umgesetzt worden. Und selbst da gibt es allerorten Schlupflöcher.
Dienstleistungen, die einem „sozialen Gemeinwohlauftrag“ verpflichtet sind, sollen durch die Richtlinie nicht berührt werden. Gut.
Aber andererseits soll sie für alle Tätigkeiten gelten, die „in der Regel gegen Entgelt erbracht werden“. Für kommunale oder regionale Dienstleistungen wie Ver- und Entsorger, Wasser- und Klärwerke, öffentliche Sportstätten, Volkshochschulen etc. werden i. d. R. Gebühren erhoben. Damit sind auch sie voll betroffen. Von Forderungen zur Harmonisierung von Sozialstandards auf hohem Niveau oder von Steuerharmonisierung in der EU ist in dem Gesetzesentwurf über die Dienstleistungen im EU-Binnenmarkt übrigens nirgendwo die Rede.

aus IMPULSE Strausberg · Seelow · Bad Freienwalde Ausgabe April 2006

Helmuth Markov

Europaabgeordneter
der Linkspartei


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Lektüretipp

Wir empfehlen Euch die Lektüre  von " Das kurze Gedächtnis - Wie es wurde, was es ist - Splitter aus der deutschen Nachkriegsgeschichte" Gedanken von Kerstin Kaiser, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau www.dielinke-neuenhagen.de/fileadmin/neuenhagen/Gedaechtnis.pdf