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Sven Kindervater

#Sonntagsgedanken: Die Gefahr des rechten Mosaik

Ist die AfD nun eine NPD im Nadelstreifenanzug? Ist PEgIdA rassistisch oder einfach nur besorgt? Sind alle Asylkritiker gleich Nazis? Unser Autor findet: Diese Fragen sind vollkommen uninteressant. Es gehe gar nicht um die Unterschiede, sondern das Gemeinsame.

Ist die AfD nun eine NPD im Nadelstreifenanzug? Ist PEgIdA rassistisch oder einfach nur besorgt? Sind alle Asylkritiker gleich Nazis? Unser Autor findet: Diese Fragen sind vollkommen uninteressant. Es gehe gar nicht um die Unterschiede, sondern das Gemeinsame.

 

Der Protest gegen die AfD-Veranstaltung im Bürgerhaus hat einigen Unmut ausgelöst. Offenkundig hat es einigen nicht geschmeckt, dass die AfD nicht wie jede andere Partei behandelt wird, man Protest eher gegen die NPD gewohnt ist – und mit der habe die AfD ja bitteschön gar nichts zu tun.

 

Die Unterschiede verschleiern das Gesamtbild

Ich möchte wirklich davor warnen, die Debatte so zu verengen. Es geht nicht darum, ob die AfD eine neue NPD ist und ab wann man das so sagen oder nicht sagen darf. Die AfD ist vielmehr Teil eines größeren, rechten Mosaiks. Ein brandgefährliches Mosaik. Und bei keinem der Steinchen sollte man wegschauen, selbst wenn das einzelne Steinchen nicht für das Handeln des anderen Steinchens direkt in Verbindung zu bringen ist. Es geht nicht darum, dass man die einzelnen Steinchen nicht miteinander vergleichen kann. Es geht darum, dass das Gesamtbild nur als solches die Gefährlichkeit erreicht und nur so Nationalismus, Ressentiments und letztlich auch Gewalt erst wirksam befördert.

Zur Erreichung von politischer Macht braucht es die Unterstützung vieler verschiedener Milieus. Da gibt es zum einen die bürgerliche, die besitzende Klasse. Die, die Angst hat, etwas zu verlieren, weil sie eben tatsächlich etwas zu verlieren hat. Dann gibt es die ausgebeutete, die verstoßene Klasse. Die, die ohne Perspektive vom Arbeitsmarkt ausgespuckt wurde und die nicht mehr an die Lüge glauben will und kann, allein dafür verantwortlich zu sein. Beides sind ökonomische Kategorien und sie standen bisher im tiefen Hass zueinander. Auf der einen Seite die, die einem alles weggenommen haben sollen, auf der anderen Seite, die nur faul seien und den eigenen Wohlstand gefährden. Das rechte Mosaik bringt nun beide zusammen, ohne dass sie einander wirklich begegnen müssen. Es deutet einen Weg an, den beide gemeinsam statt gegeneinander gehen können.

Durch die Flüchtlingskrise haben nun beide Milieus Angst und zwar eine, die ziemlich identisch ist: Etwas zu verlieren. Die einen fürchten, dass sie nun tatsächlich vom Wohlstand abgeben müssen und die anderen sehen, dass für sie womöglich immer weniger übrigbleibt. Wenn für „Fremde“ scheinbar mehr übrig ist, entsteht nicht nur die Frage ‚Warum nicht für mich?‘, sondern ob künftig überhaupt noch etwas da sein wird. Nachdem also schon aller Wohlstand an andere ging, geht der Kelch der Fürsorge nun ebenso an andere. Übrig bleibt eine Aussicht auf Nichts. Und jeder aufgeklärte Bürger weiß auch, dass unser Wohlstand auf Ausbeutung ausgelegt ist. Wenn man also konsequent zu Ende denkt, bleibt für die Besitzenden unter Umständen bald auch Nichts. Es wächst zusammen, was lange Zeit nicht zusammengehörte.

 

Die verbindende Komponente

Es gibt aber noch etwas, was Menschen miteinander verbinden kann und was die Grundlage zu einem entscheidenden Bindeglied dieser Tage zu werden scheint: Die Esoterik. Das klingt erst einmal sehr weit hergeholt, aber es lohnt sich, in diesen Gedanken etwas tiefer einzusteigen.

Das Besinnen auf Wurzeln, das Erforschen des Natürlichen und Übernatürlichen, das Wahren von Traditionen, das Suchen nach dem (Ur-)Völkischen – all das kann im Bereich der Esoterik gefunden werden, ohne dass damit eine allerfüllende Definition geben sein will. Auch wenn man das für eine Randerscheinung hält: ob bei den Reichsbürgern, der NPD, der AfD oder diversen PEgIdA-Demos, überall finden sich auch Anhänger der verschiedenen Formen der Esoterik, spielen bei genauerem Hinsehen sehr wichtige Rollen, mit vielen Redebeiträge und Infoständen.

Es verbindet sie ein Hinterfragen des Bestehenden und der herrschenden Lehre. Sie suchen sowohl bei sich als auch in der Gesellschaft nach einer Wahrheit – eine Wahrheit die vor allem spirituell begründet wird. Mit der Spiritualität im Kern werden sich das Unerklärbare erklärt, aber eben auch Gesundheit und Glück, der Sinn des eigenen Lebens und Ereignisse des Weltgeschehens. Der Zufall wird schnell ausgeschlossen, hinter allem muss eine Wahrheit stehen, welche die Materialisten nur nicht erkennen können – oder wollen. So ist der strukturelle Antisemitismus und Antiamerikanismus hier enorm verbreitet. Die Welt sei gelenkt durch Geheimregierungen, Geheimbünde und alten Gesetzmäßigkeiten, die wir heute nur verlernt hätten. Dabei wird das frühe Mittelalter als das Ursprüngliche umdefiniert und als rein, umweltfreundlich und spirituell-aufgeklärt romantisiert. Nicht wenige ziehen dann auch die Parallelen auf die angeblich teutonischen Wurzeln eines heroischen und zu Höherem bestimmten Deutschen.

 

Die Gefahr des Einstiegtores

Nun ist das Beschäftigen mit dem Spirituellen und der Esoterik keine rechte Politik. Im Gegenteil: Das Beschäftigen mit Alternativen, Wurzeln und vor allem dem Unerklärlichen kann eine ganz wichtige und für viele auch wundervolle Erfahrung sein, gar Kraftspender in schwierigen Zeiten. Gesünder leben und sich selbst finden sind keine Vorboten einer neuen Diktatur. Vielmehr besteht hier aber schlichtweg die Gefahr eines Einstiegtores. Wer sich alles mit einer höheren Macht oder einem höheren Sinn erklären will, ist empfänglich für allerlei Verschwörungstheorien. Hinzu kommt dann u.U. eben auch noch der Wunsch nach einer neuen Ordnung.

Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Diskussionen. Es geht nicht nur um das tatsächlich Geschehene und die Bewertung dessen, sondern es kommen Diskussion hinzu, denen jedwede faktische Grundlage fehlt. Die Flüchtlingskrise ist nur eine davon, aber wohl sehr beispielhaft. Auch wenn es sicherlich nur eine von vielen Erklärungen ist, aber: wer sich davon verabschiedet hat, nichts mehr von dem zu glauben, wie es sich an der Oberfläche darstellt, übersieht womöglich tatsächlich den Wald vor lauter Bäumen – weil er Bäumen grundsätzlich misstraut, um im Bild zu bleiben. 

 

Dem dienen der höheren, sinnstiftenden Sache

Wann immer Menschen sich also fragen, ob eine Meldung überhaupt zutrifft, steht auf der rechten Seite die ausgestreckte Hand – nicht selten über den Weg der Esoterik. Über die lässt sich selbst das erklären, was den Faktentest nicht übersteht. Wer das Höhere sucht, stößt auch auf einen angeblichen Volksaustausch, auf ein imaginäres Finanzjudentum und natürlich die Illuminaten. So werden die Inhalte von AfD, PEgIdA und Co eben nicht nur eine Frage der Wirklichkeit, sondern sie bekommen eine spirituelle Note. Sich für ihre Politik einzusetzen, wird zu einem Glauben, hat etwas Sinnstiftendes, dient einer größeren Sache, einer Sache mit Wurzeln, der Suche nach der reinen Wahrheit und der Schaffung einer neuen, aufräumenden Ordnung. Eine Ordnung, die auf dem zweiten Blick zutiefst rassistisch, völkisch, nationalistisch, xenophob, islamophob und antisemitisch ist.

Wenn wir uns also dieser Tage damit befassen, wie wir auf dieses rechte Mosaik reagieren wollen, dann müssen wir zunächst den Blick auf alle seine einzelnen Steinchen werfen. Und jeder, der meint, er hätte doch nichts mit dem Mosaik zu tun, er sei gar kein Rechter und das mit den Unterschieden der Steinchen begründet, verschließt bewusst die Augen vor dem Gesamtbild. Mit jeder Stärkung eines der Steinchen, wird das gesamte Mosaik unterstützt. Und so muss es erneut heißen: Wehret den Anfängen!


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