Diese Website verwendet Cookies.
Zum Hauptinhalt springen

Sven Kindervater

#Sonntagsgedanken: Der leise Sieg des Sozialismus

Egal, wohin man dieser Tage guckt: Überall verroht die Gesellschaft. Hass und rechte Hetze durchfluten unseren Alltag, laut und erdrückend sind die Demagogen, füllen Marktplätze. Doch stehen wir tatsächlich vor einem neuen 1933, wie so viele warnen? Wenn man genau hinschaut, gewinnt gerade vor allem einer: Der Sozialismus.

Egal, wohin man dieser Tage guckt: Überall verroht die Gesellschaft. Hass und rechte Hetze durchfluten unseren Alltag, laut und erdrückend sind die Demagogen, füllen Marktplätze. Doch stehen wir tatsächlich vor einem neuen 1933, wie so viele warnen? Wenn man genau hinschaut, gewinnt gerade vor allem einer: Der Sozialismus.

 

Jakob Augstein, selbsternannter „Im Zweifelsfall links“-Blogger auf SPIEGEL ONLINE, warnt dieser Tage vor einer Präsidentin Clinton. Sie sei eine Gefahr für den Frieden. Wer dann in die Kommentare schaut, liest viel Beifall und Sätze wie, was Trump mit den USA mache sei uns Europäern doch egal, wichtig sollte uns nur sein, dass die USA dann friedlicher sind.

So lesen wir nun schon seit Wochen, welche der beiden Personen das geringere Übel sei. Aber was wir dabei vollkommen vergessen: Wer steht hinter diesen Leuten. Und inwieweit mussten sie sich verändern, um endlich Kandidaten zu werden? Viel entscheidender als Clinton vs. Trump ist doch, wer mit diesen Leuten an die Macht kommt. Das weiß man ja nicht erst seit Powell, Rize, Rumsfeld und Cheney.

 

Aufgezwungene Veränderungen

Mit Donald Trump wird ein Mike Pence ins Weiße Haus mit einziehen, welcher ein absolut rechter Hardliner ist. Er ist das genaue Gegenteil der aufgeklärten Gesellschaft und ist Anhänger eines ultra-orthodoxen Christentums des vorherigen Jahrhunderts. Trump, ein eigentlich recht liberaler Zeitgenosse, wenn man mal in seine früheren Aussagen guckt, wollte Spitzenkandidat der Republikaner werden. Dazu musste er sich in zwei Punkten radikal verändern: Er musste zum rechten Hetzer werden. Und er musste ein stramm-rechtes Umfeld für sich gewinnen. Beides hat er erreicht. Auch wenn ich ebenso wie Augstein glaube, dass Trump durchaus der friedlichere Kandidat sein könnte, steht er für das rechteste Aufgebot, welches die Republikaner seit Jahrzehnten aufgefahren haben. Das erklärt, warum so viele in der Partei noch bei jedem Skandal hinter ihm standen.

Auch der Einschätzung zu Hillary Clinton muss ich Augstein beipflichten. Das Inferno von Nordafrika bis zum Nahen Osten trägt deutlich ihre Handschrift. Aber was musste sie tun, um Kandidatin zu werden? Die Botschaft ihres Kontrahenten Bernie Sanders, der demokratische Sozialismus, verfing bei der Jugend derart, dass er die größten Kundgebungen eines Präsidentschaftskandidaten aller Zeiten abhielt. Bernie Sanders hat mittlerweile weite Teile des Wahlprogramms umgeschrieben, etwa im Falle des kostenlosen Colleges. Hillary Clinton ist wahrlich keine Linke. Aber sie hatte nur eine Wahl: Entweder Bernie obsiegt – oder sie wird links.

 

Eine unaufhaltsame linke Bewegung

Bernie Sanders ist der Präsident der Millenials, der Generation 20-40, welche die entscheidende Rolle in diesen Tagen spielt. Er wird auch nach der Novemberwahl nicht weg sein. Er hat organisiert, dass seine Anhänger nunmehr auch quer durch das Land für politische Ämter kandidieren. Natürlich steht das erst am Anfang. Aber dieser Anfang ist durchdacht und durchstrukturiert – und nicht mehr aufzuhalten. Die Basis der Demokraten ist deutlich nach links verschoben und wann immer Bernie es will, werden seine Anhänger einer Präsidentin Hillary den Marsch blasen.

Das ist auch der entscheidende Unterschied zu Obama. Auch er hatte eine Bewegung, aber er hat diese nach der Wahl fallengelassen. Er versuchte vielmehr in seinen ersten zwei Jahren zu zeigen, Demokraten und Republikaner könnten zusammen Politik machen, nur um von den Republikanern derart vorgeführt zu werden, dass diese die folgenden Midterm-Wahlen gewannen und Obama für seine restlichen sechs Jahre seine Mehrheit im Abgeordnetenhaus verlor.

Obama hat nicht begriffen, dass die Republikaner nur mit ihm Politik gemacht hätten, wenn der Druck groß genug gewesen wäre. Aber das Gegenteil trat ein: Die Teaparty übernahm die Meinungshoheit bei den Republikanern, tauschte Gemäßigte scharenweise aus und organisierte viele Wähler, während enttäuschte Obamaisten schlichtweg zu Hause blieben. Bezeichnend war die Szene, als der Journalist Jon Stewart fragte, Obama habe doch gesagt „Yes, we can“ und Obama antwortete: „Yes, we can, but…“. All die Hoffnung zerstört mit einem ‚aber‘. Die Sanders-Anhänger entern nun die Demokraten von links und so wird Hillary – weil sie anders keine Option hat – ohne Zweifel die linkeste Präsidentin der USA aller Zeiten.

 

Britischer Sozialismus

Dieses Phänomen ereignet sich dieser Tage auch im Mutterland der englischen Sprache. Während die halbe Welt noch in schockstarre das Brexit-Votum verarbeitet, hat sich auch dort etwas getan. An der Spitze der Labour Partei steht ein ausgewachsener Sozialist. Zwei Putschversuche hat er bereits überstanden. Das gelang nur, weil täglich hunderte junge Leute neue Mitglieder werden und das allein wegen Corbin. Ein Mitglied seines Schattenkabinetts gab letztens zu Protokoll, man müsse jetzt nicht mehr drumherumreden, worum es bei Labour geht: Sozialismus.

Aber auch die neue Premierministerin lässt aufhorchen. In einer ihrer ersten großen Ansprachen ging es ihr vor allem um die Schere zwischen Arm und Reich, um Chancen und Gerechtigkeit. Man darf erinnern, dass sie das Oberhaupt der radikal-kapitalistischsten Partei überhaupt ist. Doch auch sie weiß: Sie hält das Königreich nur zusammen, wenn sie sich deutlich links positioniert. Das war nie ihre politische Haltung. Aber es ist ihre einzige politische Option.

 

Gutmenschentum im Reich der Hetzer

Viel wird dieser Tage darüber geschrieben, dass die soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit eben jener Sprengstoff ist, der Wut und Hass produziert. Aber während man über die lauten Pöbler täglich liest, übersieht man die leisen Linken. Ja, in Dresden stehen manchmal zehntausende auf der Straße bei Pegida. Aber zum einen wohnt dort eine halbe Million. Aber viel entscheidender: Im Stadtrat regiert eine Koalition aus SPD, GRÜNE, LINKE und Piraten. Exakt in der selbsternannten Brutstäte des Reaktionismus regiert das grünlinks versiffte Gutmenschentum.

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sich dieser Tage eben jene im Bundestag unter dem Hashtag ‚r2g‘ treffen. SPD und GRÜNE wollen keine linke Regierung sein. Klar standen sie voll hinter ihrer Mitte-Politik von Schröder und Fischer. Aber damit gewinnste eben keinen Blumentopf mehr. Und irgendwann kannste Seehofer eben einfach nicht mehr ertragen. Eine linke Bundesregierung kommt dann zustande, wenn auch hierzulande klar wird, dass es nur so eine Option auf die Macht gibt. Wie in Berlin werden sich SPD und GRÜNE deutlich mehr auf DIE LINKE zubewegen müssen, als umgekehrt. Die GRÜNEN haben das in Berlin schon schleichend in den letzten fünf Jahren Opposition gemacht und die SPD macht es eben nun deutlich geräuschintensiver nach den Wahlen.

 

Ohne Sozialismus ist alles doof

Denn eines steht fest: Die Millenials unterscheidet von ihren Vorgängern, dass sie in keine positive Zukunft des Kapitalismus schauen. Umwelt doof. Terror doof. Jobs doof. Rente doof. Und für Kinder keine Zeit. „Ein Tinderspielplatz für Alleinerziehende“ schrieb DIE LINKE treffend im Berliner Wahlkampf. Aber statt sich aufzugeben und Migranten schuldig zu machen, packen sie an. Die jungen StartUper bspw. suchen selten nach Geld. Viele Mitdreißiger geben gut dotierte Jobs auf und versuchen sich als Kleinstunternehmer etwa im Verkauf von Fair-Trade Halsketten und Übersetzungs-Apps für Asylsuchende.

Auch wenn die traditionelle Linke damit überfordert ist, weil der rote Stern fehlt, die Arbeitermassenbewegung und überhaupt zu wenig Marx gelesen und zitiert wird: Der überreife und längst übernehmende Nachwuchs hat keine Lust auf die leeren Versprechungen des ewigen Wachstums. Sie suchen keinen Reichtum. Sie wollen ein erfülltes Leben. Der Hang zum linearen Lebenslauf ist komplett durchbrochen. Jobs, Beziehungen, Lebensmittelpunkte – alles das ist im permanenten Wandel. Und ulkiger Weise steigen die Kinderzahlen.

 

Der Aufschrei der Unbedeutenden

Ich entdecke dieser Tage gerade auch auf Facebook immer mehr Seiten, wo rechte Blödbommel innerhalb weniger Minuten regelrecht zerlegt werden. Dieser Aufschrei derer, die längst begriffen haben, dass es nach Links geht, was sie dann wahlweise „Tugendwahn“ oder „Untergang des Abendlandes“ nennen, mag medial erschlagend sein. Er repräsentiert aber nicht, was wirklich geschieht. Vielmehr ist die Lautstärke Ausdruck dessen, wie klein und unbedeutend sie eigentlich sind.

Wir stehen nicht vor einem neuen 1933. Hitler wurde vor allem auch durch eine junge Generation gestützt, welche sich vollkommen unnütz fühlte, deren Eltern ihnen keine Perspektive zeigen konnte. Diese Jugend findet man dieser Tage aber als stille Helfer in den Asylheimen, als Gegendemonstranten bei Nazi-Kundgebungen, im Austauschjahr während Schule und Studium und bei Initiativen wie „Mein Grundeinkommen“ und „Sanktionsfrei“, mit denen sie thematisch mehr politisch bewegen, als jede Partei.

 

Der Sieg der guten Schokolade

Die Jugend ist längst internationalistisch und antikapitalistisch orientiert. Jetzt liegt es nur noch an denen, welche sich als Hüter dieser Ideologie verstehen und die es gar nicht mehr gewohnt sind, dass sie mal Erfolg haben könnten. Eine linke Bundesregierung fällt nicht vom Himmel. Sie ist Ausdruck, dass es für die Mitte-Parteien keine andere Machtoption gibt.

So wird es die Jugend sein, welche die Republik deutlich nach links verschiebt und wenn DIE LINKE klug ist, schafft sie es, dass sie bei den Millenials mitmachen darf. Manchmal muss man mal alle Nachrichten ausschalten und sich bei einer Tafel „Die gute Schokolade“ einfach mal die Fakten vor Augen führen. Und dann den Mut haben, auch dazu zu stehen und entschlossen vorangehen. Mag die neue Generation ganz anders vorgehen, sie hat genug Geschwafel gehört. Sie macht jetzt einfach linke Politik. Mit ihren eigenen Begriffen, eigenen Zielen und eigenen Methoden. Es ist ein leiser, aber es ist ein unausweichlicher Sieg des Sozialismus.


Themenbereiche

Friedenspolitik

Sozialpolitik

Kommunalpolitik

Öffentlichkeitsarbeit

Parteipolitik

Sonstige Beiträge

Zurück zum Themenbereich mit dem Browser-Button, zur Themenseite mit dem Zurück-Button links unten