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Programmdiskussion - DIE LINKE und die soziale Frage in Deutschland

Das 19. Neuenhagener Gespräch - eine Nachbetrachtung von Klaus Biedka

Trotz widriger Strassenverhältnisse hatten sich etwa 20 Teilnehmer zum Gesprächsforum im Parkettsaal im Rathaus Neuenhagen eingefunden. Der wohl ungewöhnlichste Zuhörer war ein begleitender Schäferhund, der den einleitenden Ausführungen aufmerksam folgte. An der sich anschließenden Diskussion beteiligte er sich zwar nicht, verfolgte sie aber mit souveräner Gelassenheit...

Das Thema versprach so selbstverständlich wie dröge zu werden. Der Referent Dr. Lutz Brangsch vom Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung stellte zunächst dar, wie im Programmentwurf die verschiedenen Strömungen und Plattformen der LINKEN sich um griffige Formulierungen zur sozialen Frage bemühten - leider bisher wenig mitreißend. Unterschiedliches Herangehen wurde dabei deutlich, wenn aus Sicht der Gewerkschaften oder verantwortlicher Regierungsbeteiligung, aus theoretischen oder praktischen Erwägungen heraus Anforderungen formuliert werden.

Genosse Brangsch betrachtete die Sozialpolitik als Folge und zugleich als Voraussetzung der gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsprozesse. Als seinerzeit die Bismarcksche Renten- und Krankenversicherung eingeführt wurde, war das eine Folge der Industrialsierung in Deutschland. Die Sicherung der herrschenden Verhältnisse erforderte es, dass den sozialen Forderungen der organisiserten und erstarkten Arbeiterschaft Rechnung getragen wurde. So war letztlich Sozialpolitik aus Sicht der Herrschenden immer auf die Stabilisierung der Verhältnisse gerichtet, während die Sozialpolitik aus Sicht der Beschäftigten die Überwindung ihrer Abhängigkeit von den Verhältnissen zum Ziel hatte.

In den letzten Jahrzehnten haben sich die Produktions- und Reproduktionsprozesse grundlegend verändert: Globalisierung, Vereinzelung der Arbeitsplätze, Verdrängung der dauerhaften durch befristete Arbeitsverhältnisse, Scheinselbständigkeit, Lohndumping und ruinöser Wettbewerb - all das führte zur Stärkung der kapitalistischen Verhältnisse und zur Schwächung ihrer Gegenkräfte. Entsprechend gestaltet sich auch die heutige Sozialpolitik - belebend für die einen und desaströs für die anderen.

Sozialpolitik ist weit mehr als nur Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Verteilung und Teilhabe sind erst das Ergebnis der Auseinandersetzungen zu den sozialen Fragen der Gesellschaft. Somit würde folgerichtig im Programmentwurf die Umgestaltung der Gesellschaft als Voraussetzung zur Lösung der sozialen Fragen zu benennen sein.

Weitere Aspekte sind im Programm zu berücksichtigen:

  • Soziale Sicherung nur durch Erwerbsarbeit oder als gesamtgesellschaftliche Aufgabe?
  • Ist das Recht auf soziale Sicherung ein Menschenrecht oder im Belieben der Gesellschaft
  • Soziale Sicherung - Rechte und Pflichten
  • Soziale Sicherung - wie weiter in der EU und global?

An diese Ausführungen schloss sich eine bewegte Diskussion an. Zuviel Theorie, zuwenig Greifbares hieß es einerseits. Das Programm braucht eine theoretische Fundierung meinten andere. Wie formulieren wir unsere Ziele und Wege dahin, und wie und wo bringen wir das unter die Leute? Wo heute alles so kompliziert und unüberschaubar ist, wo steckt des Pudels Kern? Was bringt ein Bedingungsloses Grundeinkommen nach wessen Couleur? Viele Fragen, wenig Antworten - noch, so ist zu hoffen.

Einigkeit herrschte in der Analyse der Lage: Die Sozialpolitik verlangt Solidarisierung, der fortschreitenden Entsolidarisierung muss Einhalt geboten werden. Dazu gibt es auf allen Ebenen Gelegenheiten, wo sich die LINKE einbringen kann.

Auf dem Nachhauseweg nach der doch sehr anregenden Veranstaltung ging mir so durch den Kopf, dass eine Gesellschaftsanalyse heute wie zu Marx'ens Zeiten notwendig ist, um fundierte Zielrichtungen zu erkennen und in Politik umzusetzen. Dass dabei die gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsprozesse weitaus vielschichtiger geworden sind, sollte uns nicht davon abhalten. Das heute gesellschaftlich notwendige Wirken der Menschen ist immer weniger Erwerbsarbeit im klassischen Sinne - Erziehung, Betreuung, Bildung, ehrenamtliches Engagement gewinnen ständig an Bedeutung. Arbeit als "Stoffwechsel des Menschen mit der Natur" ist somit viel umfassender. Solidarität und soziale Gerechtigkeit sind für den Zusammenhalt und die Zukunft der Gesellschaft dabei unabdingbar. Was dem im Wege steht gehört deshalb weggeräumt. Punkt. - Auch ein Programmpunkt?

Klaus Biedka



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