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Ralf Christoffers

LINKE stellt Eckpunkte für NSU-Ausschuss vor

Schwerpunktsetzungen der Fraktion DIE LINKE zum NSU-Untersuchungsausschuss des Landtages Brandenburg

 

Nachdem sich im November 2011 nach einer ungeheuerlichen rassistischen Mord- und Anschlagsserie, dem Mord an der Polizistin Michéle Kiesewetter, sowie mindestens ein Dutzend Banküberfällen, ein sich als „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) bezeichnendes neonazistisches Terrornetzwerk enttarnt hat, versprach die Bundeskanzlerin allen Hinterbliebenen der durch den NSU ermordeten Menschen und den Verletzten der Anschläge und Banküberfälle eine lückenlose Aufklärung.

 

Auch der Landtag des Landes Brandenburg will durch die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses dazu seinen Beitrag leisten.

 

Der Umstand, dass sich die Existenz des NSU erst nach 13 Jahren bundesweiter illegaler und strafbarer Aktivitäten und zudem nur durch Zufall offenbarte, deutet auf ein massives sicherheitspolitisches Problem hin, das vollständig aufgeklärt werden muss, um es beheben zu können.

 

Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das Handeln der verantwortlichen Sicherheits- und Ermittlungsbehörden ist elementar für ein funktionierendes, demokratisches Staatswesen und muss dort, wo es verloren ging, unbedingt wieder hergestellt werden.

 

Aktuelle Ereignisse wie die Brandanschläge mutmaßlich militanter Neonazis in Nauen, sowie notwendige Verbotsverfahren gegen rechtsradikale Zusammenschlüsse wie „Widerstand Südbrandenburg“ oder „Weisse Wölfe Terrorcrew“, zeigen, dass das Gefahrenpotential für weitere Terrornetzwerke auch in Brandenburg längst nicht gebannt ist.

 

Die Ermittlungsergebnisse des NSU-Prozesses am Oberlandesgericht München, sowie der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse im Bundestag und den Landesparlamenten Bayern, Thüringen, Sachsen, Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, haben Zusammenhänge zwischen der Tätigkeit der brandenburgischen Sicherheits- und Ermittlungsbehörden und dem Umfeld des NSU zutage gefördert.

 

Nach bisherigen Erkenntnissen wurden im Land Brandenburg zwar keine NSU-Morde oder Anschläge verübt, dennoch erstreckte sich das Umfeld des NSU nachweislich auch in die Brandenburger Neonazi-Szene.

 

Der einzusetzende Untersuchungsausschuss soll daher insbesondere die Beteiligung der Abteilung V des Innenministerium des Landes Brandenburg bei der Suche nach den ab Januar 1998 in Chemnitz untergetauchten und vom LKA Thüringen per Haftbefehl gesuchten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, und deren Verbindungen zur brandenburgischen Neonazi-Szene aufklären.

 

Um dem historisch bedingten Neuaufbau der brandenburgischen Behörden Rechnung zu tragen und durch eine Evaluation eine ergebnisoffene Diskussion über Bestand, Aufgaben, Organisation, Strukturen und Korrekturen zu ermöglichen, soll der Untersuchungsausschuss eine möglichst vollständige Ermittlung der Erkenntnisse und des Handelns des Brandenburgischen Verfassungsschutzes in Bezug auf rechtsextremistische Aktivitäten und militante Neonazistrukturen im Zeitraum von 1991 bis heute zum Ziel haben.

 

Der Untersuchungsausschuss kann so auch den Auftrag erfüllen, auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse, Schlussfolgerungen und Empfehlungen für Sicherheits- und Ermittlungsbehörden auszusprechen.

 

Zur Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes sind neben den zwingend einzubeziehenden Beweismitteln auch die Berichte der bereits abgeschlossenen und laufenden Untersuchungsausschüsse zum NSU im Bund und in anderen Bundesländern, weitere Berichte im Kontext des NSU, z.B. der Schäfer-Kommission in Thüringen, sowie ggf. Erkenntnisse aus dem Münchener NSU-Prozess einzubeziehen.

 

Das Aufgabenfeld soll konkret Folgendes umfassen:

 

  1. Der Untersuchungsausschuss soll umfassend aufklären, ob ein Handeln oder Unterlassen der Brandenburger Sicherheits- und Justizbehörden, einschließlich der zuständigen Ministerien unter Einschluss der politischen Leitungen, auch im Zusammenwirken mit anderen Landes- und Bundesbehörden (z.B. BfV, BND, MAD), die Bildung und die Taten der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“, sowie deren Umfeld begünstigt und/oder die Aufklärung und Verfolgung der von der Terrorgruppe begangenen Straftaten erschwert haben. Es soll ebenfalls ermittelt werden, ob alle rechtlichen und tatsächlichen Optionen zur Aufklärung und Verhinderung von Straftaten durch Brandenburger Sicherheits- und Justizbehörden eingesetzt wurden.
  2. Der Untersuchungsausschuss soll klären, welche Erkenntnisse beim Brandenburgischen Verfassungsschutz, den Staatsanwaltschaften und der Polizei, den Gerichten, den Ministerien und angeschlossenen Behörden, insbesondere den verantwortlichen Ministern des Inneren, über die Tätigkeiten des untergetauchten Trios und deren Unterstützungsnetzwerk vorgelegen haben und welche Schlüsse daraus gezogen wurden.
  3. Der Untersuchungsausschuss soll insbesondere klären, ob in Brandenburg eingesetzte sogenannte Informanten, Gewährspersonen, Vertrauens-Personen und verdeckte Ermittler Erkenntnisse über die Gruppe NSU und ihren Taten hatten, ob und wie sie diese Informationen mit den Brandenburger Sicherheitsbehörden und anderen Diensten teilten und ob gar eine Beteiligung von V-Leuten an rechtsterroristischen Taten im Umfeld des Trios und dessen Umfeld vorgelegen hat.
  4. Der Untersuchungsausschuss soll aufklären, ob durch die brandenburgischen Sicherheits und Justizbehörden eine Zusammenarbeit mit den Diensten des Bundes oder der Länder erfolgt ist und ob dabei alle einschlägigen rechtlichen Regelungen beachtet wurden. Wenn dies unterblieben sein sollte, sollen die Gründe hierfür aufgeklärt werden.
  5. Der Untersuchungsausschuss soll explizit klären, ob und in welchem Maße brandenburgische Behörden an Gründung und Aufbau sowie der Unterstützung rechtsextremer Personen und Personengruppen durch den Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Personen) und verdeckten Ermittlern beteiligt waren, diese aktiv oder durch Unterlassen geeigneter Maßnahmen förderten und ob eingesetzte V-Personen und verdeckte Ermittler an der Durchführung oder Vorbereitung von Straftaten sowie Aktivitäten, die sich gegen das Grundgesetz richteten, beteiligt waren oder diese begünstigten.
  6. Der Untersuchungsausschuss soll klären, ob bei Maßnahmen im Zusammenhang mit der Beobachtung rechtsextremer Strukturen der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, insbesondere die Praxis der Führung von V-Personen rechtmäßig war und ist, und ob sie ausreichend kontrolliert und evaluiert wurde und wird. Dies schließt eine Überprüfung der Dienst- und Fachaufsicht ein.
  7. Der Untersuchungsausschuss soll klären, ob und in welcher Weise die Mitglieder des Terrornetzwerks „Nationalsozialistischer Untergrund“ durch von brandenburgischen Diensten beobachteten Kontakten zu rechtsradikalen Personen, Personengruppen und Organisationen, insbesondere „Hammerskins“, „Blood & Honour“, „Thüringer Heimatschutz“, „Nationale Front“, „Ku–Klux–Klan“, und „Nationale Bewegung Königs Wusterhausen“, sowie internationale Kontakte, z.B. nach Südafrika, in ihrem terroristisches Handeln gefördert wurden.
  8. Der Untersuchungsausschuss soll klären, wie mit Informationen, Erkenntnissen, Hinweisen, Beweismitteln oder sonstigen Daten über den NSU und dessen Umfeld, die für die heutigen Ermittlungen von Bedeutung hätten sein können, umgegangen wurde und wird, insbesondere ob alle Akten den betreffenden ermittelnden Behörden weitergeleitet, sowie den Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen des Bundes und der Länder zur Verfügung gestellt wurden. War oder ist dies nicht der Fall, soll der Untersuchungsausschuss die Gründe hierfür aufklären.
  9. Der Untersuchungsausschuss soll aufklären, ob und inwieweit Mängel in der Organisationsstruktur oder der Ausübung der den Brandenburger Sicherheits- und Justizbehörden übertragenen Befugnisse, im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht sowie im Rahmen eines rechtlich gebotenen und zulässigen Informationsaustausches untereinander dazu beigetragen haben, dass sich militante und terroristische rechtsextreme Strukturen herausbilden konnten, dass aus diesem Milieu Straftaten begangen wurden sowie Fahndungsmaßnahmen nach den Mitgliedern des "Nationalsozialistischen Untergrundes" erfolglos blieben.
  10. Der Untersuchungsausschuss stellt fest, welche Schlussfolgerungen für die Struktur und Organisation der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des Landes Brandenburgs und für die Zusammenarbeit der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden auf Bundes- und Länderebene gezogen werden müssen. Der Untersuchungsausschuss stellt auch fest, wie die Bekämpfung des Rechtsradikalismus insgesamt verbessert werden kann.

 

 

Ralf Christoffers
Fraktionsvorsitzender Fraktion DIE LINKE im Landtag Brandenburg


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