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Euro-Krise? Oder doch besser Systemkrise, das ist hier die Frage ...

Michael Schlecht und Marian Krüger Foto: Heinz Scharf

Ein Bericht vom 22. Neuenhagener Gespräch von Klaus Biedka

Gestern fand zum ersten Mal das "Neuenhagener Gespräch" im neuen Bürgerhaus statt. In die etwas nüchterne Atmosphäre des Vereinsraumes 2, in dem sich etwa 30 Interessierte eingefunden hatten, brachte der Referent Michael Schlecht, Chefvolkswirt der Bundestagsfraktion der LINKEN, mit seinem Bericht von der erst vor wenigen Stunden beendeten Bundestagssitzung zur Euro-Rettung gleich eine erwartungsvolle Stimmung. Warum habe die LINKEN den gemeinsamen Entschließungsentwurf der anderen Fraktionen abgelehnt? Von welcher Krise sprechen wir überhaupt? Was sind die Ursachen dafür? Welche Vorschläge hat die LINKE?

Diese und weitere damit verbundene Fragen waren Inhalt des zweistündigen Gesprächs zwischen dem Referenten und seinem Publikum, moderiert von Marian Krüger. Im Gespräch war die Rede vom Rettungsring aus Blei, der Griechenland zugeworfen wird, von einer immer weiter aufquellenden Eiterblase, die mit immer größeren Pflastern überdeckt werden soll, statt sie zu heilen, von einer Aggression, die anstelle von Waffen mit deutschen Exporten daherkommt...Starker Tobak? Mitnichten!

Michael Schlecht wäre kein guter Volkswirt, wenn er seine Bilder nicht mit seriösen Fakten untermauern könnte. Dazu gab er dem Publikum Unterlagen an die Hand, aus denen z.B. hervorgeht, dass der Handelsüberschuss Deutschlands gegenüber Spanien, Portugal und Griechenland im letzten Jahrzehnt mehr als 250 Mrd. € betrug. Insgesamt betrug der Waren-Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands im letzten Jahrzehnt 1,05 Billionen €.  Dieses Ungleichgewicht hat zur Folge, dass z. B. die o.g. Länder sich verschulden müssen, um die deutschen Importe zu bezahlen.

Die gemeinsame Währung hat es diesen Ländern leichter gemacht, Schulden aufzunehmen. Insofern hat Deutschland vom Euro stark profitiert. Unabhängig davon ist es aber durch seine aggresive Exportstrategie mitverantwortlich für die sich ständig vergrößernden Ungleichgewichte.

Nun schiebt die herrschende Politik den anderen die Schuld in die Schuhe - sie können nicht haushalten, sind nicht so produktiv wie wir ... Dabei zeigt sich, diese Produktivität ist nicht in erster Linie eine deutsche Tugend: Deutschland ist Weltmeister im Lohndumping! Seit dem Jahr 2000 sind die Reallöhne hier insgesamt um 4,5% gesunken, was Steigerungen in einzelnen Branchen nicht ausschließt. Schwache Gewerkschaften und die Agenda 2010 haben an diesem Lohndumping entscheidenden Anteil. So wurden durch eine radikale Umverteilung von unten nach oben die sozialen Unterschiede immer größer mit gravierenden Folgen. Stichworte wie Bildungsnotstand, Kinderarmut, soziale Kälte seien hier nur beispielhaft genannt.

Damit dieser Umverteilung Einhalt geboten wird, fordert Die LINKE seit Jahren höhere Löhne und eine Stärkung der Innennachfrage. Das ist auch eine Kernforderung zur Lösung der gegenwärtigen Krisen. Aber das ist nicht das "Geschäftsmodell" der Regierenden, wie der Referent aus den Bundestagsberatungen weiß...

Da die Reichen ihr Geld zunehmend, statt in die reale Wirtschaft zu investieren, den Banken gaben, erfanden diese "Finanzprodukte", mit denen es sich trefflich spekulieren ließ. Man versuchte, aus Geld Geld zu machen, was eine Zeitlang scheinbar gelingt, aber regelmäßig als Illusionsblase platzt. Die Politik schaut dann gebannt auf diese Alchemie, denn sie braucht viel Geld, bis sie wieder feststellt, dass die ihnen anvertrauten Bürger wieder mal den Schaden bezahlen müssen, der von Mal zu Mal größer wird. Das Geld der Reichen bleibt dabei unangetastet...

Deshalb eine zweite Kernforderung der LINKEN: Öffentlich-rechtliche Kontrolle der Banken, deren Aufgabe die Kreditvergabe anstatt der Finanzspekulation sein muss. Das ist aber nur bei Änderung der Eigentumsverhältnisse möglich - und die sind derzeit nicht gewollt. Hierzu fehlt (noch?!) der politische Mehrheitswille, auch wenn die "Occupy"-Bewegung Ansätze dazu erkennen lässt.

Aber es gäbe auch jetzt schon reale Möglichkeiten, die die LINKE zur Überbrückung der Staatsverschuldung vorschlägt: Anstelle der Privatbanken, die bisher die Staatsschulden (mit dem Geld der Reichen, auch aus der Umverteilung!) finanzieren, sollte die Europäische Zentralbank (EZB) Direktkredite zu festen Konditionen vergeben. Damit wären zumindest die zockenden Privatbanken, die sich für 1,5% Geld bei der EZB leihen, um es mit 7-17% an z.B. Griechenland weiterzugeben, aussen vor. Auch die Ratingagenturen könnten dann hier keinen Schaden mehr anrichten. Aber auch hier: das ist nicht das "Geschäftsmodell" und deshalb nicht gewollt.

Die Frage ist nur: wie lange ertragen die Bürgern noch so ein "Geschäftsmodell"?

Klaus Biedka

ddmmyy


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