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Verkehrsdefizite östlich der Bundeshauptstadt Berlin

Noch immer: Eingeschränkte Mobilität - durchdachte Verkehrslösungen nötig

Noch immer: Eingeschränkte Mobilität - durchdachte Verkehrslösungen nötig

Zwischen den realen Verkehrsbedürfnissen und Verkehrsströmen einerseits und der gegenwärtigen Verkehrsstruktur andererseits östlich der Bundeshauptstadt bestehen ungelöste Widersprüche. Das gilt für den engeren Verflechtungsraum und den äußeren Entwicklungsraum des Landkreises MOL, und es gilt für Schiene (Schienenpersonennahverkehr = SPNV) und Straße (Öffentlicher Personennahverkehr = ÖPNV).

Seit dem 03.10.1990 verdoppelte sich in solchen Gemeinden des engeren Verflechtungsraums wie Neuenhagen, Altlandsberg und Hoppegarten die Einwohnerzahl in etwa. Der Bahnhof Hoppegarten umfaßt einen Einzugsbereich von etwa 50 bis 60 000 Bürgerinnen und Bürgern. Es sind überwiegend Berufspendler mit Arbeitsstellen in Berlin, Studenten, Schüler, Berlin-Touristen. Berufspendler aus dem äußeren Entwicklungsraum nutzen den SPNV, um nach Berlin zu gelangen. Im zentralen Schnittpunkt des radial in Ost-West-Richtung verlaufenden SPNV und des tangentialen, mehr nord-südlich angelegten ÖPNV liegt der Bahnhof Hoppegarten. Nach einer etwa vier Jahre zurückliegenden Untersuchung frequentieren ca. 70 Prozent aller Neuenhagener S-Bahnnutzer den Bahnhof Hoppegarten.

MOL hat sich seit dem 03.10. 1990 zu einer strukturschwachen Region rückentwickelt. Selbst im engeren Verflechtungsraum liegen die Arbeitslosenziffern höher als z. B. in Teltow-Fläming, Potsdam und in der Landeshauptstadt Potsdam selbst. Der äußere Entwicklungsraum bis hin zur Oder ist durch weitaus höhere Arbeitslosenziffern, durch ungebrochene Abwanderung in strukturstarke Länder der Bundesrepublik und ins Ausland, durch Abbröckeln der medizinischen Versorgung in Landgemeinden, schrittweise Überalterung, Schulschließungen usw. gekennzeichnet. Hatte eine Stadt wie Bad Freienwalde einst 12 000 Einwohner, so sind es heute 9000. Gerade aus diesen benachteiligten Teilen von MOL kommt mit hohem Zeitaufwand ein wachsender Teil der Berufspendler.

Inzwischen lief ein Sanierungsprogramm für Bahnhöfe und Haltepunkte an der Strecke Berlin-Lichtenberg - Kostrzyn mit Erfolg an. Der NB 26 der Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) verkehrt seit Dezember 2006 mit modernsten Triebwageneinheiten und verzeichnet wachsende Fahrgastzahlen. Doch: Der Zugewinn an Reisekomfort bringt den Reisenden auf dieser Strecke nicht eine einzige Sekunde Mobilitätsgewinn. Hoppegarten wird ohne Halt durchfahren. Für jene Bahnnutzer, die in den Norden oder Süden (Rostock, Hamburg, München usw.) der Bundesrepublik reisen, entsteht ein Mobilitätsverlust von neun S-Bahnminuten, weil sie nicht mehr den Ostbahnhof, sondern den Hauptbahnhof frequentieren müssen.

Noch ohne offizielle Grundsteinlegung begannen 2006 die Arbeiten zum Umbau des Bahnhofs Ostkreuz. Dort steigen täglich 330 000 Fahrgäste ein, aus, um oder fahren durch. Gemessen an der Fahrgastfrequenz wird es der größte Bahnhof Berlins bleiben. Dort entstehen drei neue Regionalbahnsteige. Jeder von ihnen verbindet Teile Brandenburgs mit Berlin, einer davon nimmt die Streckenführung des jetzigen NB 26 Kostrzyn - Berlin auf. Medienöffentliche Verlautbarungen nennen 10 Jahre als Bauzeit oder anders: Voraussichtlich erst in zehn Jahren treten für MOL-Bürger meßbare Mobilitätsgewinne ein. Diese Frist ist zu lang und unzumutbar.

Seit dem 1. Mai 2004 ist die Republik Polen im Ergebnis eines Referendums Vollmitglied der EU.
Polnische Bürger in den grenznahen Wojewodschaften nutzen die Bahn für Besuche in der Bundeshauptstadt und/oder als Flugreisende für Schönefeld, Tegel oder auch Tempelhof. Damit entstand ein identisches Verkehrsbedürfnis für Bürger in MOL und in Polen, das durchdachte und schnell realisierbare SPNV-Lösungen bei Nutzung vorhandener Gleisanlagen über den Bahnaußenring erfordert: Biesdorfer Kreuz, Biesdorf  Süd und dann alternierend zum Ostbahnhof oder nach Schönefeld.

Unzumutbar ist auch der ÖPNV in und weit um Hoppegarten herum. Er bedarf dringendst anstelle jetziger, realitätsferner Flickschusterei einer grundsätzlichen Neuordnung, die neben dem Gewerbegebiet mit rund 2000 Beschäftigten auch zur Kenntnis nimmt, daß die zwangsfusionierte Gemeinde Hoppegarten eine Nord-Südausdehnung von etwa 16 bis 18 Kilometer hat und zum Beispiel die schnellste ÖPNV-Fahrt von Waldesruh zur 7 km Luftlinie entfernten Amtsverwaltung fahrplanmäßig eine Stunde und fünfzig Minuten erfordert. Die Lösung liegt hier im gegenläufigen Rundverkehr des ÖPNV, der Berlin im Sinne unausweichlichen Zwanges berühren muß. Ein großer Teil nicht nur der Gemeindebürger ist, seit der Zerfall örtlicher Infrastruktur nach dem 03.10.90 begann, selbst für den Einkauf einfachster Waren des täglichen Bedarfs auf Berlin und auch dessen medizinische Infrastruktur unausweichlich angewiesen.

Fazit: Es gibt in den Gemeindevertretungen Handlungsbedarf, sich grundsätzlich und analytisch mit Verkehrsfragen zu befassen, die den begründeten Interessen der Bürger des Ortes, Kreises, Landes und auch unserer polnischen EU-Nachbarn heute und auf weite Sicht entsprechen. SPNV und ÖPNV beleben Wirtschaft, ziehen potentielle Investoren an, lassen neue Arbeitsplätze entstehen, bremsen Abwanderung und wirken dem Klimawandel entgegen.
Zuerst die Schiene - sie darf nicht unter den Hammer kommen.

Dr. Jürgen Blunk
Waldesruh


weitere Informationsquellen zur Bahnproblematik und dem Privatisierungswahn:
Bündnis Bahn für Alle
12 Argumente gegen den Börsengang


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