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Sozialistische Politik zur Überwindung des Finanzmarktkapitalismus und Wege zu einem Sozialismus des 21. Jahrhunderts

Blick in den Konferenzraum
Joachim Bischoff ...
und Gesine Lötzsch bei ihren Beiträgen

Eindrücke von der Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung am 25. und 26. Juni 2010

Eindrücke von der Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung am 25. und 26. Juni 2010

Zugegeben, der Konferenztitel ist lang und zunächst schwer fassbar. Er umreisst den Rahmen einiger Punkte, zu denen es Fragen über Fragen, wenig abschliessende Antworten, aber doch eine klares Ziel gibt:

Das System des Kapitalismus, das die soziale Ungerechtigkeit, die Verschwendung der natürlichen Ressourcen, Gewalt und Unterdrückung als immanenten Bestandteil seines Wesens hat, muss einer Gesellschaft weichen, die gerade das Gegenteil davon praktiziert.

Über den Weg dorthin gibt es unterschiedliche Meinungen, die aber jede für sich nachdenkenswerte Schwerpunkte setzten.

Michael Brie, Gesine Lötzsch, Joachim Bischoff, Ralf Krämer, Heinz Dietrich, Klaus Steinitz, Elmar Altvater, Lothar Bisky, Rudolph Hickel, Dieter Klein und andere nahmen die Analyse der politischen und ökonomischen Entwicklung des Kapitalismus, besonders in den letzten 20 Jahren und in Europa, zum Ausgangspunkt ihrer Meinungen. Entsprechend ihrer jeweiligen wissenschaftlichen Tätigkeit und ihres Wirkungsortes stellten sie den Zuhörern verschiedene, auch Widerspruch heischende Lösungsmodelle vor.

Dabei kristallisierte sich heraus, dass die seit Jahrhunderten bestehende, äusserst anpassungsfähige und flexible kapitalistische Gesellschaftsordnung nicht frontal durch Gewalt, sondern nur von innen heraus unter voller Beteiligung der „Massen“ verändert und möglicherweise beseitigt werden kann. Dieser Prozess, hier „Transformation“ genannt, kann überhaupt nur bestehen, wenn es den Akteuren solcher Prozesse, gelingt, weitere Verbündete zu gewinnen, aber vor allem die zu aktivieren, die es letztendlich am direktesten betrifft: die grosse Masse des Volkes aller sozialen Schichten.

Und hier liegt schon eine der Schwierigkeiten: Die gegenwärtige Fussball-Euphorie breitete sich problemlos bis in jeden Haushalt aus. Linke Politik, die sich ja gerade für die „Besitzlosen“ engagiert und auch Erfolge erzielte, wird nicht nur vom politischen Gegner sondern auch von der Mehrheit derer, die Nutzniesser dieser Politik sind, wenig geliebt und oft auch geschmäht.

Die Manipulation der Medien wirkt durch ihre Plattheit, und ihren Simplizismus. Linke Politik muss sich deshalb öffentlich in das ihr eigene Licht stellen und die Argumente des politischen Gegners als das entlarven, was sie sind: Verleumdung, Willkür und Dividierung der Gesellschaft.

Sie darf in ihrer täglichen Praxis nicht über die Köpfe wirken und sich auf Eigennutz beschränken, sondern an den konkreten Lebensproblemen des Einzelnen in dieser Gesellschaft anknüpfen. Linke Politik kann sich nicht auf plakative Wirkungen beschränken, sie muss einer Kultur gerecht werden, die in Deutschland und in Europa eine lange Tradition hat.

Wie eine Injektion muss sich linke Politik in die Lücken des kapitalistischen Systems einbringen, wo auch immer sie sich zeigen, von der Kommune bis zum Bund, und für Erfolge kämpfen.

Dabei sind Partner erforderlich wie Gewerkschaften, Sozialverbände, humanistische Vereinigungen. Tödlich sind innerparteiliche Haltungen der Rechthaberei, der Intoleranz, die zu einer Schwächung der Partei führen, wie gegenwärtig das Ausscheiden der italienischen Abgeordneten aus der Fraktion der Linken des Europaparlamentes.

Der Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge hat einen ausserordentlichen hohen Stellenwert, weil er für die grosse Mehrheit des Volkes von existenzieller Bedeutung ist. Dabei geht es darum, Produkte und Leistungen der „Daseinsvorsorge“ aus einer privaten Verantwortung, die den Regeln der Profitmaximierung ohne soziale Komponente unterliegt, wieder in eine staatlich, d.h. kommunale Verantwortung zu bringen. Die Demokratisierung der Wirtschaft gerade an den untersten Ebenen der Kommunen bietet mit vielen kleinen Massnahmen zahlreiche Ansatzpunkte.

In diesem Zusammenhang waren Diskussionsbeiträge aus Erfahrungen einiger südamerikanischen Länder aufschlussreich, die für unsere Politik relevant sein können. Allgemein verketzert ist die Unflexibilität und Höherpreisigkeit staatlicher Betriebe.

Aber: Nur sie haben die Möglichkeit, neben der Gewinnerwirtschaftung sozial, d.h. nicht kostendeckend zu wirken. Das ist für Privatunternehmungen unmöglich. Ebenso ist die Finanzierungsform der „PPP“ reine Augenauswischerei. Sie verschleiert und verlängert die privatwirtschaftliche Produktionsweise zu Lasten der öffentlichen Hand.

In der länderübergreifenden Verstärkung der Macht des Finanzkapitalismus Europas kann nur eine linke Partei mit ihren Verbündeten aus allen europäischen Ländern eine ernst zu nehmende Gegenkraft entwickeln. Obwohl klein, ist die Europäische Linke im Europaparlament ein Initiator, der im Sinne eines Projektes auch Verbündete in anderen Europaparteien findet. Dem zunehmend wachsenden rechten Gedankengut im Parlament muss die Linke mit Geschlossenheit entgegentreten.

Neben den profilierten Rednern der Konferenz äusserten sich viele Zuhörer mit sachkundigen Statements und Fragen zu einzelnen Problembereichen. Überraschen war für mich, dass sich das Verhältnis der Anzahl der Diskutanten aus den „neuen Bundesländern“ stark zugunsten der „alten Bundesländer“ verschoben hat. Ein Zeichen dafür, dass linkes Denken sich deutschlandweit verbreitet oder dass der „Osten“ in die Lethargie verschwindet?

Wir dürfen gespannt sein auf den Konferenzreader, der uns allen, ob Genosse oder nicht, eine Fülle von Problemdiskussionen in die Hand geben wird.

Heinz Scharf


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