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Sehr merkwürdig - Die Akten des Herrn Gauck

Eine Rezension von Franziska Klein vom 24.6.2010

Eine Rezension von Franziska Klein

Man hat mir die böse Vokabel >Großinquisitor< hinterhergerufen, klagte Joachim Gauck vor 15 Jahren im «Kölner Stadtanzeiger«. «Ja, das war ich!«, bekennt Klaus Huhn, langjähriger Sport-Chef im ND, und lüftet damit sein Pseudonym Sven Dorlach. Unter diesem Namen hatte er 1993 seinen Band «Neufünfland-Pitaval« verfasst. Frangois Gayot de Pitaval,ein französischer Jurist zur Zeit des Ancien Régimes, hat mit seinen »Causes célèbres et intéressantes, avec les jugements qui les ont décidées« (Berühmte und interessante Rechtsfälle mit den dazugehörenden Urteilen) quasi das Genre der Gerichtsreportagen und eine neue Schauerliteratur begründet. Er schilderte u. a. den Fall eines Pariser Advokaten, der Opfer einer Intrige wurde, den man grausam gefoltert und verbrannt hatte. «In Neufünfland entschieden falsch Zeugnis oder auch Rachsucht das Schicksal manches Menschen, auch wenn er nicht in den Flammen eines Scheiterhaufens starb«, schreibt Huhn. Denunziationen haben ungezählte Ostdeutsche in den letzten 20 Jahren in den Tod getrieben. In seinem neuen Buch erinnert Huhn an einige, so an die Mediziner Rudolf Mucke und Eckard Ulrich. Selbstmorde, für die Kampagnen aus dem Hause Gauck verantwortlich sind.

Wie Menschen durch Anschuldigungen aus Akten, wahr oder nicht wahr, unter Druck gesetzt werden können, zeigt exemplarisch das Beispiel des Jenenser Juristen Gerd Riege, MdB der PDS. Huhn zitiert aus dem Protokoll einer Bundestagsdebaffe: Riege wurde in seiner Rede immer wieder durch Zwischenrufe der CDU/CSU unterbrochen: «Was man sich hier von so einem Stasi-Heini anhören muss!«, «So ein Stasi-Bonze da!« Unflätig ist noch ein harmloser Begriff für solcherart Umgang im Hohen Haus.
Gauck bediente als «Herr der Akten« großzügig und zuvorkommend mediale und politische Interessen; im Übereifer passierte es da auch schon mal, dass die Rechtslage nicht beachtet wurde und/oder die Behörde sich durch falsche Interpretation gründlich blamierte. So 1994 im Fall Stefan Heym. Auch hier haffe der «Akten-Lieferservice Gauck«, wie Huhn bemerkt, «den Eilauftrag ausgeführt«, der den Schriftsteller diskreditieren sollte. Kläglich der Rückzieher, zu dem sich die modernen Kreuzfahrer schließlich gezwungen sahen.

Huhn hat auch die «Opfer-Akte« Gaucks studiert und ist auf Merkwürdigkeiten gestoßen, die so gar nicht zu der vom Bundespräsidentschaftskandidaten zur Schau gestellten Gesinnung passen. Dereinst pries er «gesellschaftliche Grundwerte« der DDR, auch das Volkseigentum. Den Weggang vieler DDR-Bürger, auch seiner Kinder, begründete er mit einer «Unterentwicklung im Punkt Heimatgefühl«. Dass er Gespräche mit dem MfS nicht wie der Teufel das Weihwasser scheute, legt Gaucks Bitte nahe, er wolle nicht nur mit «kleinen Leutnants« sprechen. Schließlich war/ist man ja wer.


Klaus Huhn: Der Inquisitor kandidiert. Spotless beim Verlag Edition Ost, Berlin 2010. 95 S., br, 5,95€.



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