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Kleine Rezension

Beim Suchen nach aus dem Blick geratenen Gegenständen, in deren Besitz ich vor langer Zeit gekommen war und die irgendwann einmal ausrangiert wurden, aber zu schade zum Wegwerfen waren, fand ich eine Kiste voller Aktenordner.

Ich erinnerte mich, dass sie den Weg aus dem Arbeitszimmer nicht direkt in die blaue Tonne nahmen, sondern zunächst auf dem Boden kamen, „für alle Fälle“. Aber jetzt war die Zeit gekommen, sie endgültig zu vernichten. Aber nicht ohne nochmal darin zu blättern.

Was kam da nicht alles zutage! Weniger die Vielfalt der selbst verfassten und der erhaltenen, meist unangenehmen Schreiben, als die Erinnerungen an erlebte, meist bedrückende Ereignisse und Begebenheiten nach dem Ende der DDR. Die Konfrontation mit der „Marktwirtschaft, ohne dass es noch eine sozialistische Rückzugsecke gab, das Umdrehen einer erfahrenen und für richtig befundenen Moral, das auf-den-Kopf-stellen von Wertmaßstäben und das beginnende „Jeder-gegen-jeden“, all das sprang mich plötzlich aus diesen Papieren an und ließ mich längst Vergessenes noch einmal erleben.

Was mir in den letzten 20 Jahren begegnete rollte in einer halben Stunde vor meinem geistigen Auge vorbei, aber gleichzeitig mit einer Wertung, geboren aus der realen zeitlichen Distanz und vielleicht auch aus einer gewissen Abgeklärtheit heraus.

Ich fragte mich, ob es anderen meiner Generation ähnlich erging? Ob sie gleiche Erwartungen, Erfolge und Misserfolge, Zuneigungen und Enttäuschungen erlebten? Wie haben sich andere in Konfliktsituationen verhalten? Sind die Entscheidungen, in ihrer Zeit getroffen, heute wiederholbar?

Eine kleine Antwort fand ich zufällig bei Hans Müncheberg, Jahrgang 1929, Autor des autobiographischen Romans „Gelobt sei, was hart macht".

Hans Müncheberg erhielt während seiner nebenberuflichen Schöffentätigkeit an einem Berliner Stadtbezirksgericht Einblicke in Lebensentwicklungen, die teilweise von der Weimarer Republik über das „Dritte Reich“ in die DDR führten und schliesslich in der bundesdeutschen Wirklichkeit ankamen. Irgendwann auf dieser Strecke gab es Konflikte mit der Gesellschaft, mit der Moral, mit dem Gesetz. Schuld und Strafe – nach welchen Kriterien sollten sie festgeschrieben werden? Was zählt, der ganze Mensch? Oder „nur“ eine Handlung? Und steht sie isoliert? Warum handelte der Mensch so? Edelmut und Egoismus – lässt sich das glasklar trennen?

Hans Müncheberg beschreibt in seinem Buch „ Außergewöhnliche Fälle zwischen Recht und Gerechtigkeit“ solche Lebenslinien, wie sie für die Generation der 1930 bis 1960 Geborenen schon fast typisch sein können.

Beim Lesen erging es mir ähnlich wie beim Vernichten meiner alten Aktenordner: Ich erkannte mich selbst wieder. Ein „Ja-so-war-es“, Mitgefühl mit den Romanfiguren, Rückbesinnung auf Vergangenes, machen das Buch zu einem nachhaltigen Lesevergnügen.

Meine Kinder könnten viel über die Generation ihrer Eltern erfahren; ob sie das Buch lesen werden?

Ich kann es nur empfehlen!

Heinz Scharf


Hans Müncheberg

Außergewöhnliche Fälle zwischen Recht und Gerechtigkeit“

Edition Lithaus 2010

14,90 Euro



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