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Gedanken zum 13. August - Replik

Lieber Klaus,

so finde ich es ebenfalls am heutigen Tage richtig nachzusinnen, was alles hätte geschehen können, wäre die Mauer nicht gebaut, trotzdem kein Krieg entbrannt, die Menschen nicht erschossen worden, als sie das Recht der freien Wahl für sich in Anspruch nahmen.

Ich kam auf die Welt, da stand die Mauer schon drei Jahre. Mich hat sie nicht sonderlich gestört, erst als mein Bruder 1986 mit dem Auto nach Böhmen unterwegs war und sich vorher von mir verabschiedete, hatte ich einen dicken Brocken im Hals. Er wollte einfach die Lügen in der DDR nicht weiter mitmachen, sich entwickeln, leben ohne sich vor einem Umzug in eine andere Wohnung der Prozedur der Wohnraumlenkung zu unterwerfen. Vielleicht war er vom Westfernsehen in Berlin ja auch ein wenig beeinflußt, aber so ist das auch nun mal, wenn man vergleichen kann.

Deine Vergleiche haben einen üblen Geruch. Der Geruch heißt: Umgang mit Vergangenheit. Warum kann in der Partei,  unserer Partei nicht einfach darüber geschrieben werden? Warum ist es so schwer Verantwortung zu übernehmen wenn wir uns eingestehen, da lief etwas falsch, aus dem Ruder. Ich erinnere mich an die vormillitärische Ausbildung, in der ich auf die Klassenfeinde zu schießen angehalten wurde und mir in diesem Zusammenhang die Neutronenbombe um die Ohren schlug, zumindest war das das Wort scheinbar eines des Lehrers, der uns damals die Welt erklärte. Ich habe dann den Wehrdienst komplett verweigert, mein Studium konnte ich dann vergessen, das hielt mich aber nicht ab, darüber nachzusinnen, was der tatsächliche Grund dafür war, dass mitten im geteilten Deutschland nach dem Krieg eine Mauer höher, weiter und gefährlich sicher aufgetürmt wurde, wo doch offensichtlich 14 Millionen Menschen in unserem Land, diese Mauer nicht wollten.

Ich versuche das zu verstehen, frage Zeitzeugen, beschäftige mich damit, erhalte manchmal plausible, manchmal gänzlich unbefriedigende Antworten. Dass aber nun die Mauer gut für den Frieden war, habe ich nicht erlebt. Die Mauer war ein Konstrukt der Unterdrückung von mehr als 14 Millionen Menschen. Ebenfalls hat sie nicht zur Sicherheit, sondern der Unfreiheit gedient. Dass machtpolitisch Kalter Krieg herrschte, dass es auf den Verliererseiten Deutschlands selbstverständlich auch Politik der Abgrenzung und den Versuch historischer Sachzwänge gegeben hat, ist überdeutlich. Man kann keinen Vorgang damit rechtfertigen, dass ja vielleicht ansonsten Krieg hätte stattfinden können, dafür sind zudem brisante Kriegsoptionen in der DDR durchgespielt worden um Westberlin und den Westsektor einzunehmen. Wir finden an vielen Stellen unserer Geschichte Zeugnis für politischer Dekadenz, oder anders ausgedrückt, politische Ignoranz Bedürfnissen gegenüber, welche die Menschen in der DDR hatten, da ist es nicht hilfreich darauf zu schauen, wie in Amerika mit einer Grenze umgegangen wird. Die Verknüpfung zwischen der Mauer und den 850 Opfern, den Toten, den Schießbefehl, die Selbstschußanlagen, Stacheldraht und der Grenze in den Vereinigten Staaten zu Mexiko finde ich schon deshalb bedenklich, da hiermit die Rechtfertigung unserer Vergangenheit mir der anderen entschuldigt werden soll/könnte.

Ich denke zudem nicht, dass die Mauer wohl unvermeidlich gewesen wäre, auch die
Schuldfrage an sich ist unzureichend. Wir wissen es nicht aber wir können uns diesen
Fragen und Themen stellen. Für mich stand nach der 16 monatigen Haft meines Bruders
in Halle eines ganz deutlich auf dem Blatt der Geschichte: die DDR ist genau am
13. August 1961 untergegengen. Der Prozeß dauerte lange um genau zu sein bis zum 09. November 1989.

Mit meinen besten Wünschen und Grüßen

U-B.Röstel



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