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Prof. Dr. Hans-Joachim Braun

Immer diese Defizite!

Mit Geldangelegenheiten in Milliardenhöhe befasst sich meist nur, wer es beruflich tun muss. Die von Jürgen Elsässer im „Freitag“ vom 14. Januar d. J. kommentierte Meldung, dass die USA im Jahre 2004 für etwa 600 Milliarden Dollar mehr Waren und Dienstleistungen importierten als sie ausführten, wird deshalb niemand von den Stühlen reißen.

Mit Geldangelegenheiten in Milliardenhöhe befasst sich meist nur, wer es beruflich tun muss. Die von Jürgen Elsässer im „Freitag“ vom 14. Januar d. J. kommentierte Meldung, dass die USA im Jahre 2004 für etwa 600 Milliarden Dollar mehr Waren und Dienstleistungen importierten als sie ausführten, wird deshalb niemand von den Stühlen reißen.

Was geht uns das an? Und: Wie ist das möglich? Dem Normalbürger ist es jedenfalls verwehrt. Zum zweiten zuerst!

Die USA sind zwar eine gewaltige Industrie- und Handelsmacht, ihre Produkte jedoch international immer weniger gefragt, so dass die gezeigte Differenz mit den Jahren stetig wächst. Natürlich bezahlen sie, aber mit Dollars; der Dollar ist Weltgeld. Die amerikanische Regierung verschuldet sich bei ihrer Zentralbank und lässt in diesem Umfang Geld drucken, Firmen, Bundesstaaten, Gemeinden und nicht zuletzt private Haushalte tun (im Prinzip) dasselbe. Als „Deckung“ dient einzig und allein das Zahlungsversprechen, das heute international fast keiner mehr halten kann, die einzelnen Staaten am wenigsten.

Doch die ganze Welt macht mit! Es müssen also mächtige Interessen im Spiel sein.

Die Sache geht über den Kapitalmarkt vor sich. An Stelle von Waren und Dienstleistungen verkaufen die Vereinigten Staaten nämlich zunehmend Wertpapiere: Staats- und Kommunalanleihen, Versicherungsanteile und vor allem Aktien. Mit dem Erlös lassen sich aus Drittländern reale Waren beziehen, ein Umstand, der den französischen Ökonomen Emanuel Todd zu folgender Definition der Globalisierung veranlasste: Die reichen Länder schröpfen die armen Länder und die USA schröpfen alle

Dem kann man nur teilweise zustimmen. Auch in den so genannten reichen Ländern trägt dieser Teufelskreis dazu bei, dass wachsende Teile des Volkes - meist die ärmsten - geschröpft   werden.

Dass Deutschland im Unterschied zu den USA gewaltige Exportüberschüsse aufweist hat sich allgemein herumgesprochen. Diese Überschüsse bestehen zum größten Teil aus Dollars (oder auf Dollar lautenden Forderungen). Sie könnten produktiv im Inland investiert werden, was wenigstens teilweise Beschäftigungswachstum und Inlandnachfrage hervor riefe, bevorzugt wird jedoch die (immer öfter spekulative) Anlage im Ausland. Ein gewaltiger und zunehmender Teil der deutschen Geldvermögen wird heute so angelegt.

Man nennt das „Kapitalexport“. Diese Methode ist bequemer, profitreicher, aber auch riskanter als die Investition im Inland. Die Verluste von Anlegern aller Arten, z. B. auch von großen Versicherungen, nehmen zu. Der Staat greift deshalb mit Stützungen ein, das Geld fehlt dann woanders. Natürlich wird auch in den Unternehmen gespart, wenn nicht direkt an Arbeitskräften, dann an deren Lohn.

Der Preis einer Ware, auch der Arbeitskraft, wird durch Angebot und Nachfrage reguliert. Bei einem Höchststand von 5,037 Millionen Arbeitslosen ist das Angebot praktisch unendlich groß! Hartz IV und andere Komponenten der Agenda 2010 sind also im Rahmen dieser Lohndemontage ganz folgerichtig und helfen, den Prozess voran zu treiben.

Um mit der ersten Frage zu schließen: Die amerikanischen Defizite gehen uns durchaus etwas an. Sie haben die innere Misere Deutschlands nicht geschaffen, verschärfen sie aber erheblich.

Prof. Dr. Hans-Joachim Braun