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Eine Rede für Genossen Kurt Schneider, die nicht gehalten wurde

Genossen haben mich gebeten, dir einen „Nachruf" zu schreiben. Es ist schwer für mich, und einen „Nachruf" will ich nun doch nicht verfassen, denn die Begrifflichkeit scheint mir einfach mal zu negativ besetzt. ich will Dir nichts „nachrufen" und „nachreden" schon gar nicht. Du stehst vor meinem geistigen Auge, immer ein leises Lächeln um die Lippen, ein klarer und aufmerksamer Blick, gerade in die Augen Deines Gegenüber und so nehme ich einfach mal an, zu Deinem 80. Geburtstag hätte ich Dir eine Rede halten sollen und die hätte dann so gelautet:

Lieber Kurt,

zu meinem 55. Geburtstag hast Du mir einen See-Kompass geschenkt, der schon um die Welt gereist sein soll und einen Brief dazu geschrieben, der mich heute noch mit Stolz erfüllt. Es hatte schon etwas sehr symbolisches, einen Kompass von Dir zu bekommen, ging es doch nicht darum, den Kurs zu finden, sondern eher, den guten Kurs, den wir gefunden hatten, auch zu halten – selbst für den Fall, dass nur einer das Steuer führt.
Vor 20 Jahren wussten wir voneinander noch nicht einmal, dass es uns gibt und doch hatte uns die Geschichte schon zusammengeführt. Ausblenden will ich dabei, dass wir beide auch schon seit vielen Jahren Bürger Neuenhagens waren.
Vom 8. bis zum 17. Dezember 1989 war ich zum ersten Mal in meinem Leben Delegierter eines Parteitages. Du gehörtest zu den „Organisationskräften" und warst, wie so viele Deiner Genossen aus dem ZK mit dem, was sich in dieser Dynamo-Halle vollzog, so richtig nicht einverstanden. Es schien, als würden die Opportunisten das Regime übernehmen und die Ziele, für die Du Zeit deines Lebens – auch bei aller konstruktiv-kritischen Distanz - in der DDR mit voller Überzeugung gewirkt hast, infrage stellen.
Zu dieser Zeit warst Du der, von den Mitarbeitern einzig „frei" gewählte Parteisekretär des ZK - passt zu Dir und Deinem Charakterzug, sich Problemen zu stellen und ihnen nicht aus dem Wege zu gehen.
Mit der Entwicklung in dieser Zeit schien auch Dein politisches Wirken beendet und Du zogst Dich nicht nur in übertragenem Sinne nach Neuenhagen zurück.
Ein Angebot als Lehrer in der Puschkin – Schule zu arbeiten auszuschlagen (weil auch daraus für die Dir wohlmeinenden Akteure, vor allem Peter Voß, Probleme erwachsen wären) und dafür als Hausmeister zu arbeiten - wie viel Persönlichkeit gehört zu einer solchen Entscheidung!
Es folgten dann die Kommunalwahlen im Frühjahr 1990 mit der „Abstrafung" der SED/PDS auch in Neuenhagen (15,3%). Da saßen nun 5 Genossinnen und Genossen, die sich z.T. das erste Mal im Leben trafen. Das Interessanteste dabei war, dass ich nicht nur der Älteste in dieser Runde, sondern auch der einzige war, der schon vor der Wende als Abgeordneter in Neuenhagen tätig war. Das auch in fast allen anderen Fraktionen vormalige Abgeordnete (und davon auch einige ehemalige SED-Mitglieder) vertreten waren, sei nur am Rande erwähnt.
Bei allen Anschuldigungen (Stasi), deren wir uns – erfolgreich – zu erwehren hatten, zeichnete sich unsere Fraktion von Anfang an durch das Bestreben nach konstruktiver Sacharbeit aus. Die Anforderungen waren neu und vielfältig und nur durch die aktive Mitwirkung weiterer sachkundiger Genossen zu bewältigen und das war die Phase, als Du „reaktiviert" wurdest. Ich weiß nicht, wer Dich angesprochen hatte und kann auch kein genaues Datum benennen, aber ich weiß noch, dass es im Zusammenhang mit der Bebauung des Gewerbegebietes war – und da warst Du auf einmal da, anfangs mit deutlicher Zurückhaltung aus politischer Skepsis dieser PDS gegenüber, aber mehr und mehr engagiert und Dich – Deinem Wesen entsprechend - konstruktiv einbringend. Mit der Sacharbeit entwickelte sich zwischen Dir und mir auch eine sehr persönliche Beziehung, die sich vor allem intensivierte, als ich mich in der KENeu engagierte. Längst waren die uns beide bewegenden Themen über die reinen Sachfragen weit hinausgegangen und ich hatte mit Dir und Helga Pietschmann meinen quasi persönlichen „Ältestenrat". Die kommunalpolitische Arbeit führte nicht nur mit den anderen Parteien, sondern auch innerhalb unserer eigenen Fraktion zu konstruktiv-kritischen, manchmal auch sehr persönlichen Auseinandersetzungen, wie das so ist, wenn man Dinge nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen betreibt, und da war es schon gut und wichtig Euren Rat zu haben.
Als sachkundiger Bürger im Bauausschuss bist Du dann auch wieder „öffentlich" geworden und hattest einen nicht geringen Anteil an dem Image, dass sich unsere Fraktion in der Gemeindevertretung und im Ort als besonders kompetent erarbeitet hat.
Immer lag Dir aber auch die Entwicklung Deines unmittelbaren Umfeldes in Bollensdorf am Herzen. Es folgten solche „Meilensteine" wie die Gründung des Bollensdorfer Bürgervereins, die Etablierung des Ortsentwicklungsausschusses und führte dann unter Deiner aktiven Mitwirkung zum Projekt „Schäferplatz".
Dass Du inzwischen nicht nur ein geachteter Partner in allen Parteien warst, ist wohl auch Deinem Vermögen geschuldet, nicht nur sehr kompetent zu agieren, sondern Du beherrschtest auch die einmalige Gabe, in Diskussionen ausgleichend zu wirken und ohne jegliche Polemik auszukommen. Das führte auch dazu, dass Du in den unterschiedlichsten Gremien vor allem als sehr integrierender Partner empfunden wurdest.
Es war nur logisch, dass sich Dein Freundes- und Mitstreiterkreis auch über Parteigrenzen hinweg erweiterte, die freundschaftlichen Beziehungen zu Klaus Ahrens, Dr. Else Ackermann und Birgit Dürsch, aber auch Deine verständnisvollen Kontakte zu Wolfgang Strohmeyer verdeutlichen dies.
Die Jahre Deines kommunalen Engagements waren aber für Dich auch im familiären Umfeld nicht immer problemlos. Deinen Kummer um den Tod Deines Enkels, Deine aufopfernde Fürsorge um Deine Frau, die über Deine physischen und psychischen Kräfte zu gehen schienen – nur die Dir sehr nahe standen wussten davon und waren voller Respekt, wie diese Probleme Dein Wirken in der Öffentlichkeit scheinbar nicht beeinflussten.
Es ist Dir gelungen, nachhaltige Spuren zu hinterlassen, was mancher bewusst und mit Nachdruck oder aber wie Du, nicht vordergründig aber meist erfolgreicher betreibt. Scheinbar hast Du die Welt auch nicht verändert, wenn man sich aber auf den „Mikrokosmos" Neuenhagen fokussiert, sind da Deine Spuren sehr wohl wahrnehmbar.
Der Schäfer steht nun an dem Platz, wo Du ihn immer haben wolltest. Die letzte Entscheidung dazu wurde unter Regie von Larisa Schippel getroffen, und da schließt sich der Kreis, denn Larisa stand auch mit Dir an der Wiege der Vision dieses Platzes.
Sicher wärst Du überhaupt nicht einverstanden, wollte man Dir ein Denkmal setzen. Der Schäferplatz hat seinen Namen aus der Historie und das soll auch so bleiben. Auf dem Platz steht ein Schäfer, der eigentlich Dein Gesicht haben sollte, klug, weise und verschmitzt – das Gesicht eines Menschenfreundes, der Du immer warst, mit Blick in die Zukunft und stolz auf das was nicht nur hinter Dir, sondern auch mit Dir geschaffen wurde.

Für mich wird der Schäfer immer Dein Gesicht haben – es war eine schöne Zeit, Dich als Freund und Genossen zu haben,

danke Kurt.

Detlef Militz