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Diese Mehrheit ist infam!

Nicht alles ist heilbar im zwischenmenschlichen Bereich. Wenn der angerichtete Schaden allzu groß ist, dann lässt er sich nicht einfach durch die Korrektur einer Entscheidung beheben. Ein Rufmord bleibt ein Rufmord. Insofern ist es nur folgerichtig, dass Lothar Bisky gestern erneut mit seinem Versuch gescheitert ist, zum Vizepräsidenten des Bundestages gewählt zu werden.

Einige Abgeordnete hatten angekündigt, Bisky ihre Stimme gestern oder zumindest bei künftigen Wahlgängen - die theoretisch möglich gewesen wären - allein deshalb verweigern zu wollen, weil er schon so oft durchgefallen sei. Jemand, der mehrfach keine Mehrheit von sich habe überzeugen können, dürfe nicht immer wieder als Kandidat präsentiert werden. Diese Abgeordneten scheinen zu glauben, ihre Begründung zeuge von demokratischer Standfestigkeit. Dabei besagt sie doch lediglich, dass man sich nur lange genug unanständig verhalten muss, um als salonfähig zu gelten.

Die Parlamentsmehrheit hat sich Lothar Bisky gegenüber feige verhalten. Mehr noch: infam. Der Bundestag muss nicht jede Kandidatur für sein Tagungspräsidium widerspruchslos hinnehmen. Andernfalls könnte man sich die Wahl dazu gleich schenken. Aber es gibt gute Gründe dafür, dass die Abgeordneten im Regelfall den Bewerbern aller Parteien ihre Stimme geben. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die prinzipiellen Gemeinsamkeiten von Demokraten schwerer wiegen als Meinungsstreit über Details. Um davon abzuweichen, müssen schon erhebliche Einwände gegen eine bestimmte Person bestehen. Solche Einwände sind gegen Bisky nicht vorgebracht worden, jedenfalls nicht offen. Stattdessen wurde geraunt. Von Karteikarten, Erwähnungen in Stasi-Akten und überhaupt und irgendwie. Nichts davon wurde unterfüttert, alles blieb substanzlos. Aber wer die Diskussion in den letzten Wochen nicht genau verfolgt hat, wird künftig sagen: Bisky? War da nicht was? - Semper aliquid haeret. Etwas bleibt immer hängen. Die Operation Rufmord ist geglückt. Und der Konsens der Demokraten ist aus der so genannten Mitte heraus aufgekündigt worden, nicht vom so genannten linken Rand. Es ist ekelhaft.

Stephan Wende