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"Die Linkspartei wird sich dauerhaft etablieren"

Mit dem Parteienforscher Frank Decker, Professor an der Universität Bonn, sprach Michael Hesse.

Herr Decker, wird die Linkspartei nicht einfach eine Schwalbe im Sommer sein?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass dies nicht der Fall sein wird. Die Linkspartei verfügt mit der PDS über ein Fundament, das sie sicher ins Parlament hineinbringen wird. Bundeskanzler Schröder fungierte dabei mit seiner vorgezogenen Wahl als Geburtshelfer und provozierte damit das Zusammengehen von PDS und WASG, also genau das, was er eigentlich vermeiden wollte. Wir stehen vor einer grundlegenden Veränderung der Parteienlandschaft.

Also nicht einfach eine Protestpartei?
Den Begriff der Protestpartei halte ich für schief. Denn diejenigen, die sich nun in der Linkspartei sammeln, kehren nicht unbedingt wieder zu den alten Parteien zurück. Wir haben es hier mit einer viel tiefer gehenden Entfremdung zu tun - so wie in vielen anderen europäischen Staaten, wo es ebenfalls starke linkspopulistische Kräfte gibt.

Eine Partei mit einer kommunistischen Denkweise?
Natürlich findet sich das in der PDS in Gestalt der kommunistischen Plattform. Und jenseits dieser orthodoxen Vertreter gibt es in der Partei immer noch viele DDR-Nostalgiker. Durch das Wahlbündnis ist der Reformflügel um Bisky und Gysi aber deutlich gestärkt worden. Dass auch dieser Reformflügel weiterhin der sozialistischen Vorstellung eines "fürsorglichen" Staates anhängt, steht auf einem anderen Blatt. Es zeigt, dass die Linkspartei heute im Grunde die einzige echte Oppositionspartei gegen den herrschenden "neoliberalen" Mainstream darstellt.

Was könnte für die Linkspartei ein Problem werden?
Im Augenblick sehe ich kein größeres Problem. Zwar entwickeln Unzufriedenheitsparteien wie WASG eine natürliche Sogwirkung auf Renegaten und Querulanten. Darüber hinaus stehen PDS und WASG für ganz unterschiedliche "Kulturen", die zu verschmelzen nicht leicht sein wird. Die Perspektive eines Erfolgs bei der Bundestagswahl dürfte aber lukrativ genug sein, um den innerparteilichen Frieden zumindest bis September zu wahren.

Kölner Stadtanzeiger, 28.07.2005

Stephan Wende